Streit um käuflichen Sex: Prostitution spaltet Spaniens Linke

In Spanien findet käuflicher Sex in einer rechtlichen Grauzone statt. Linke und Frauenbewegung sind uneins, ob Verbot oder Legalisierung besser ist.

Frauen demonstrieren mit Masken gegen ein Verbot der Prostitution.

Demonstration von Sexarbeiterinnen gegen ein Verbot der Prostituion im Juni in Madrid Foto: Alberto Sibaja/Imago

MADRID taz | Überall an den großen Fernstraßen stehen „Puticlubs“, wie Spanier die bunt beleuchteten Bordelle nennen. In den Städten bieten große und kleine Puffs sowie einzelne Prostituierte per Kleinanzeige in den Tageszeitungen ihre Dienste an. Parks und Industriegebiete der Großstädte werden nachts zum Straßenstrich. Das Geschäft mit dem Sex ist in Spanien weder legal noch illegal, es erfolgt in einem gesetzfreien Raum. Damit soll bald Schluss sein, wenn es nach den regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez geht.

Seine PSOE brachte Anfang Juni einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Prostitution im Parlament ein und löste damit heftige Debatten in der Linken aus. Seitdem tobt der Zwist zwischen denen, die den Entwurf unterstützen und denen, die vielmehr eine Legalisierung und Regulierung der Prostitution wollen.

Die Fronten verlaufen quer durch die Koalition aus PSOE und der linksalternativen Unidas Podemos (UP) sowie dem Block linker und regionaler Parteien, die Sánchez’ Minderheitsregierung stützen.

Die sieben UP-Abgeordnete aus Katalonien sind ebenso gegen ein Verbot wie die in Katalonien regierende Republikanische Linke (ERC) und die antikapitalistische CUP.

„Überbleibsel des Sklavenhaltersystems“

„In einer Demokratie werden Frauen weder gekauft noch verkauft. Die sexuelle Ausbeutung, das Geschäft mit dem Körper der Frauen, ist das letzte Überbleibsel des Sklavenhaltersystems“, verteidigt die PSOE-Sprecherin Adriana Lastra den Entwurf, der neben einem Verbot der Zuhälterei auch die Bestrafung derer vorsieht, die Wohnungen und Zimmer für die Prostitution vermieten. Auch Freier sollen belangt werden können.

Der in der Linken umstrittene Gesetzentwurf wurde nur Dank der Stimmen der konservativen Partido Popular auf den parlamentarischen Weg gebracht. Jetzt muss er durch Ausschüsse, um dann im Herbst dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt zu werden.

Laut Innenministerium arbeiten in Spanien mindestens 45.000 Frauen in der Prostitution. Andere Quellen sprechen von mehr als doppelt so viel. Laut Nationalpolizei werden 80 Prozent der betroffenen Frauen zur Prostitution gezwungen. Ein Großteil von ihnen brachte die organisierte Kriminalität ins Land. 39 Prozent der spanischen Männer geben an, mindestens einmal für Sex bezahlt zu haben. Zwischen 4 und 6 Prozent gehen regelmäßig zu Prostituierten und lassen dort täglich über 10 Millionen Euro. Pro Jahr sind es mehr als 4 Milliarden – 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Ein Verbot „stigmatisiert und kriminalisiert“

Dass gesetzliche Bestimmungen her müssen, darüber sind sich alle auf der spanischen Linken einig. Doch würde ein Verbot – so die sieben UP-Abgeordneten aus Katalonien, die der Strömung rund um Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau angehören – die Frauen stigmatisieren und kriminalisieren. Diejenigen, die ein Verbot wollten, hätten eine „paternalistische Haltung gegenüber den Frauen“.

Die Linksalternativen aus Katalonien wollen ein Gesetz, das sexuelle Arbeit ähnlich wie in Deutschland oder Österreich legalisiert und anderen Arbeiten gleichstellt. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass viele Frauen die Prostitution selbst gewählt haben und rechtlich abgesichert werden müssen.

Die Sozialisten können dies nicht verstehen. „Was fühlen sie, wenn sie Bordelle sehen? Denken Sie, dass es dort drinnen irgendeine Freiheit gibt? Ich sehe nur eines, Konzentrationslager für Frauen“, erklärte Laura Berja, Psychologin und PSOE-Abgeordnete im Senat. Eigentlich wollten die Sozialisten das Thema Prostitution in das Gesetz der Garantie der sexuellen Freiheit“ aufnehmen, das sich ausführlich mit sexueller Gewalt beschäftigt und im Mai vom Parlament verabschiedet wurde.

Doch der Streit bei Linksalternativen sowie die Haltung von ERC und CUP ließ befürchten, dass das Gesetz aus der Feder der Gleichstellungsministerin Irene Montero (UP) dann keine Mehrheit bekommen hätte. Die Sozialisten zogen ihren Änderungsantrag zurück und stellten wenige Tage später ein spezifisches Gesetz zur Prostitution vor.

Frauenbewegung stärker für Abschaffung

Das „Gesetz der Garantie der sexuellen Freiheit“, das sogenannte „Nur Ja ist Ja“-Gesetz, wurde vor einer Woche endgültig vom Parlament verabschiedet. Es schafft unter anderem den Unterschied zwischen bisher leichter bestraftem sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung ab.

„Zustimmung wird nur anerkannt, wenn eine Person diese aus freien Stücken durch Handlungen demonstriert hat, die im Kontext der Umstände des Falls klar den Willen der Person ausdrücken“, heißt es darin.

Die Debatte um die Prostitution geht weiter. Spaniens Frauenbewegung ist so gespalten wie die Linke, auch wenn dort die „abolicionistas“ – diejenigen, die für eine Abschaffung der Prostitution eintreten – in der Mehrheit sind.

175 Frauengruppen haben sich zur Plattform zur Abschaffung der Prostitution (PAP) zusammengeschlossen. Sie legten bereits 2020 einen eigenen Gesetzentwurf vor.

Aufenthaltsrecht bei Ausstieg gefordert

„Wir wissen, dass die Mehrheit der prostituierten Frauen seit Jahrhunderten aus Nischen der sozialen Ausgrenzung stammt, die es in unserer Gesellschaft gibt“, erklärte PAP-Sprecherin Charo Carracedo. „Wir müssen den Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, die sozial-arbeitsmäßige Wiedereingliederung garantieren.“

Außerdem verlangt PAP für den Fall, dass eine Migrantin die Prostitution verlassen möchte, dass ihr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. PAP sieht wie ein Teil derer, die sich im Parlament der Stimme enthielten, als die Sozialisten das Gesetz einbrachten, an diesen Punkten erheblich Nachbesserungsbedarf.

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