Städtepartnerschaft: Noch sexier als Berlin: Istanbul

Berlin und Istanbul verbindet eine Städtepartnerschaft - seit 20 Jahren. Das wird gefeiert: mit Ausstellungen und Festivals. Klaus Wowereit fliegt heute in die Türkei.

Berlins Partnerstadt: Istanbul Bild: AP

"Istanbul und Berlin - das schmeckt wie Milchreis mit Zucker", sagt Aziza A., Sängerin und Schauspielerin. Seit Jahren lebt die gebürtige Berlinerin, Tochter türkischstämmiger Einwanderer, am Bosporus. "Berlin ist und bleibt meine Heimat", sagt sie. Istanbul fasziniere sie aber derzeit mehr: "Es hat mehr Geschichte, mehr Kultur." Ihr größter Traum sei, in beiden Städten zu leben, sagt die Sängerin - und ist dessen Verwirklichung gerade ziemlich nah.

Mit der Liederrevue "Gazino Arabesk" der deutschtürkischen Regisseure Neco Celik und Tuncay Kulaoglu vom Kreuzberger Theater Ballhaus Naunynstraße tritt Aziza A. derzeit in Istanbul auf. Das Gastspiel ist Teil des Festivals "Beyond Belonging Almanci", das neben sechs Stücken des Ballhauses 40 Filme deutschtürkischer RegisseurInnen präsentiert. Mit dem Festival beginnen die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft Berlin/Istanbul. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) macht sich deshalb an diesem Donnerstag auf den Weg nach Istanbul. Er eröffnet dort die Berlin-Tage, die mit Konferenzen, Konzerten und Ausstellungen das Theater- und Filmfest "Beyond Belonging" ergänzen.

Auch in Berlin wird das Jubiläum gefeiert: mit Kunst- und Architekturausstellungen, Lesungen, Kulturveranstaltungen und Konferenzen, die sich durch das gesamte Jahr ziehen werden. Derzeit beleuchtet etwa die Ausstellung "Becoming Istanbul" im Deutschen Architekturzentrum die Arbeit zeitgenössischer Istanbuler Architekten. Im Herbst ist eine Konferenz geplant, die zivilgesellschaftliche Organisationen der beiden Partnerstädte enger verbinden soll.

Die Frage nach dem Warum einer Partnerschaft erübrigt sich im Falle Berlins und Istanbuls eigentlich: Undenkbar, dass die beiden Städte keine haben sollten. Doch sie sind nicht erst durch die Einwanderung aus der Türkei verbunden, die heute wie im Falle der Sängerin Aziza zu engen persönlichen Verbindungen zwischen den Metropolen führt. Dass die Liebe älter ist, verrät etwa der Bahnhof im Istanbuler Stadtteil Sirkeci, erbaut Ende des 19. Jahrhunderts von dem aus Berlin entsandten Architekten August Jachmund. Auch der von Kaiser Wilhelm II. gestiftete "Deutsche Brunnen" in Istanbul dokumentiert die alten Beziehungen zwischen den Hauptstädten des Deutschen und des Osmanischen Reiches.

Daran, wie diese sich in der Zeit des Nationalsozialismus fortsetzen, erinnert eine Ausstellung im Saalbau Neukölln, die am Samstag eröffnet wird: Bilder des Malers und Philosophieprofessors Traugott Fuchs dokumentieren das Leben der Wissenschaftler und Intellektuellen, die an den Universitäten Istanbuls und anderer türkischer Städte Zuflucht vor den Nazis fanden. Fuchs blieb bis zu seinem Tod 1997 am Bosporus. Andere Flüchtlinge kehrten zurück. Etwa Ernst Reuter: Auch der Sozialdemokrat und Berliner Bürgermeister von 1948 bis 53 lebte von 1935 bis 1946 in der Türkei.

Einfach waren die deutsch-türkischen Beziehungen aber nie - und sind es bis heute nicht. Das spüren selbst die Kinder und Enkel der türkischen Auswanderer: In ihrer Heimat ebenso wie in der ihrer Vorfahren sind sie mit Vorurteilen konfrontiert. Etwa dem, keine Sprache richtig zu können, keiner Kultur richtig anzugehören. Dass sie längst eigene Ausdrucksformen entwickelt haben, stellt das Festival "Beyond Belonging" in Istanbul mit Erfolg unter Beweis: "Jede unserer Veranstaltungen ist ausverkauft", berichtet Gülcin Wilhelm vom Ballhaus Naunynstraße. In anschließenden Diskussionen mit dem Publikum sei spürbar, dass die Werke aus Berlin die Istanbuler bewegten: "Die Leute hier merken, dass die jungen Deutschtürken einen neuen Stil, einen eigenen Blick haben." Wie schön, wenn die Berliner Veranstaltungen Ähnliches bewegen könnten.

AZIZA A., SÄNGERIN

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