Szeneladen geräumt: Drei Tage umsonst

Umsonstladen im Szenekiez gegen Gentrifizierung wird in Großeinsatz geräumt

Es sah aus wie nach einem Schwerverbrechen: Mit zehn Mannschaftswagen rückte die Polizei am Montag in Kreuzbergs Boomviertel Wrangelkiez ein. In voller Montur stürmten die Beamten ins Haus Nummer fünf in der Falckensteinstraße. Was die Polizei dort vorfand, war aber recht unspektakulär: Einen Berg gebrauchter Kleider und ein Stapel Bücher.

Rund 30 Aktivisten hatten das Ladengeschäft am Samstag besetzt und einen Umsonstladen eingerichtet, bei dem man Waren abgeben und kostenlos mitnehmen kann. Zuvor war hier ein Maler-Fachgeschäft mit 110-jähriger Tradition. Es habe im Sommer schließen müssen, nachdem sich der Mietpreis von heute auf morgen verdoppelt hätte, so die Besetzer. "Der Umsonst-Laden sollte ein Zeichen setzen gegen rasant steigenden Mieten im Kiez", sagte einer der Besetzer, Peter Naumann*, nach der Räumung. Einer der Besetzer wurde vorläufig festgenommen, verletzt wurde niemand, erklärte Polizeidirektor Dieter Richter gegenüber der taz. Der Eigentümer Sorgertec Hausverwaltung AG hatte die Räumung angeordnet.

Überzogene Mietsteigerungen sind kein Einzelfall im Kiez, der mittlerweile in jedem Reiseführer zu finden ist: Kleine Familienbetriebe müssen immer öfter schicken Restaurants und Cafés weichen. Am Sonntag hatten die Besetzer die Anwohner eingeladen, erzählt einer der Besetzer. Diese hätten die Aktion gut verstehen können.

Auch ein Kinder-Laden und eine Änderungsschneiderei werden wohl bald verschwinden. Die Schneiderin Melahat Bektas stopft seit 30 Jahren Löcher und kürzt Röcke in der Falckensteinstraße 37. Ihr kommen die Tränen, wenn sie erzählt, dass ihr Mietvertrag Mitte November auslaufen wird. Dann wird auch für sie doppelte Miete fällig. "Soviel verdienen wir nicht", erklärt sie der taz. Sie kann noch nicht recht glauben, dass sie im November raus soll. Sie hofft auf ein Wunder.

Auf ein Einsehen ihres Hauseigentümers Schwabinger Immobilienverwaltung muss sie jedenfalls nicht rechnen. Auf seiner Webseite zitiert sie den englischen Sozialphilosophen John Ruskin: "Es ist unklug zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter zu wenig zu bezahlen."

* Name geändert

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.