TV-Lizenzen in Griechenland: Ein Fernsehimperium für Syriza

Bei der Versteigerung der Lizenzen offenbarte sich ein neuer Korruptionsskandal: Die Regierung Tsipras hatte einem Bieter Vorteile eingeräumt.

Auf einem Fernsehbildschirm ist Alexis Tsipras zu sehen, davor stehen eine Reihe Mensche im Halbkreis

Eine regierungsfreundliche, aber nicht ganz legale Medienlandschaft Foto: reuters

ATHEN taz | „Xerbedewoume me to palio“ – „Wir entledigen uns des Alten“, das war in Athen der Wahlslogan des „Bündnis der Radikalen Linken“ („Syriza“) im September 2015. Das „Alte“, was Syriza meinte, war ein faules, korruptes System der Machthabenden, das Griechenland 2010 an den Rand des Staatsbankrotts manövriert hatte. Das Credo lautete: Syriza sei das Neue. Die Griechen glaubten das. Sie wählten den jungen, charismatischen, dafür damals schon gezähmten Spargegner Tsipras nur acht Monate nach seiner Machtübernahme wieder – vor allem, weil Tsipras versprach, den hellenischen Augiasstall auszumisten.

Tsipras’ Saubermann-Image hat nun, gelinde gesagt, Kratzer bekommen. Nicht wenige sagen, Tsipras sei keinen Deut besser als seine Vorgänger. Neuanfang? Von wegen!

Denn ausgerechnet ein Vorzeigeprojekt der Regierung Tsipras droht sich zum schlimmen Debakel zu entwickeln: die jüngst mit viel Tamtam initiierte Auktion von vier Sendelizenzen im Privat-TV in Hellas.

Zunächst sah es nach einem grandiosen Erfolg aus: Die vier Sieger boten kumuliert sagenhafte 246 Millionen Euro. Bei drei der vier Meistbietenden, allesamt Reeder, stellte sich nie ernsthaft die Frage, ob und woher sie das Geld für ihr TV-Engagement haben. Zwei von ihnen, Jannis Alafouzos („Skai TV“), der 43,6 Mio. Euro bot, sowie die Kyriakou-Familie („Antenna“), die 75,9 Mllionen Euro ausgibt, sind ohnehin längst TV-Mogule. Der Dritte, der Krösus und TV-Newcomer Vangelis Marinakis, dürfte zudem der aktuell kapitalkräftigste von allen sein. Er bot 73,9 Millionen. Anders bei Jannis-Vladimir Kalogritsas, Spross eines Bauunternehmers, einem bekennenden Linken, dem eine Nähe zu Syriza nachgesagt wird. Er hatte sich mit gebotenen 52,6 Millionen Euro eine TV-Lizenz ergattert.

Dubiose Machenschaften

Eine von der Regierung Tsipras bestimmte Kommission überprüfte die Meistbietenden unmittelbar nach der Auktion. Ihr einhelliges Urteil: Alles in Ordnung – ausdrücklich auch bei Kalogritsas.

Der Generalsekretär für Information, Leftheris Kretsos, ein exponiertes Mitglied der Regierung Tsipras, unterschrieb das alles. So war es amtlich: Die vier Meistbietenden hatten „endgültig“ den Zuschlag erhalten.

Morgen entscheidet das

Verwaltungsgericht über

Tsipras’ TV-Neuordnung

Was folgte, ist peinlich für Tsipras und Co. Griechische Medien enthüllten sofort nach dem Zuschlag, dass die offenbar hochverschuldete und steuerhinterziehende Kalogritsas-Familie seit Beginn der Ära Tsipras zahlreiche Staatsaufträge erhalten habe. Überdies konnte sie – trotz Krise und Kapitalverkehrskontrollen – bevorzugt große Kredite von der kleinen Attica-Bank erhalten – und dies ohne die entsprechenden Sicherheiten.

Sogar Athens Notenbank-Chef schaltete sich wegen der dubiosen Machenschaften im Geldinstitut ein. Die Spitze der Attica-Bank wurde ausgewechselt. Die neue Bankführung versicherte, ab sofort keine (potentziellen) Medienunternehmer mehr finanzieren zu wollen.

Kalogritsas zieht zurück

Am Montag lief die Frist für die Zahlung der ersten Rate für die TV-Lizenz ab. Im Fall Kalogritsas waren dies 17,53 Millionen Euro. Und siehe da: Kalogritsas zog sich zurück. Er hat das Geld nicht. Zuvor hatte die Regierung Kalogritsas’ Antrag abgelehnt, die Frist um 48 Stunden zu verlängern. So darf nun der Krösus Iwan Savvidis nachrücken.

Die Athener Opposition wittert nun Morgenluft und behauptet, Tsipras habe mit der Auktion versucht, statt der alten einfach eine neue Verflechtung zwischen Politik, Banken und Massenmedien zu schaffen.

Pikant: Sogar der Syriza-Europaabgeordnete Stelios Kouloglou, selbst Journalist, sieht das so. „Herr Kalogritsas hatte offensichtlich eine Übereinkunft mit Mitgliedern der Regierung erzielt. Natürlich ist es die Arbeit der Regierung, einige ihr freundlich gesinnte Massenmedien zu haben. Das gilt besonders dann, wenn die Regierung alle Massenmedien gegen sich hat und eine neue Fernsehlandschaft schafft.“

Der Schaden ist schon groß, für Tsipras könnte aber alles noch schlimmer kommen. Am 30. September entscheidet das oberste Athener Verwaltungsgericht, ob Tsipras’ TV-Neuordnung verfassungskonform ist. Kippt das Gericht das Gesetz, wäre dies für Tsipras, den vermeintlichen Saubermann, der TV-Super-GAU.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.