Take That in Hamburg: Fünf Männer und ein Kreisch-Revival

Die Pet Shop Boys als Vorgruppe, der große Entertainer Robbie Williams in Hochform: Die wiedervereinigte Boyband Take That gab ein ziemlich bombastisches Konzert in Hamburg.

Robbie Williams (rechts) ist ein geborener Popstar. Aber da war doch noch was. Ach ja, der Rest der Band! Hier bei "Wetten, dass...?". Bild: dpa

HAMBURG taz | Es ist ja nicht so, dass die Erwartungen nicht hoch wären: Die unglaublich erfolgreiche Popband Take That spielt nach 15 Jahren wiedervereinigt in Originalbesetzung in Deutschland. Das Konzert in der Hamburger Imtech Arena ist mit über 56.000 Tickets ausverkauft, und die Pop-Priester des vergangenen Jahrtausends - die Pet Shop Boys - treten als, nun ja, Special Guests im Vorprogramm auf. Das könnte schon was werden.

Die Tänzer in knalligen Elementarfarben, die Neil Tennant und Chris Lowe mit auf die riesigen Bühne gebracht haben, sehen so aus, wie man sich nach einem 20-Stunden-Flug fühlt - oder nach dem Einlass-Heckmeck, der im Vorfeld des Konzerts vielen Leuten die Laune fast verdorben hätte: Quadratschädel und Quadratknie im Ganzkörperanzug. Diese Knallfarben, die Aluminiumsplitterjacke von Chris, der Sound - das alles ist so hoffnungslos konsequent Last Century, dass es schon wieder steincool ist. So wie das 90er-Jahre-Album "Very" mit seinem orange Gumminoppen-Cover: ein Dokument aus einer anderen Zeit, das keine Begeisterung, aber Spaß und Nostalgie zu erzeugen vermag.

Mehr wollen die Pet Shop Boys auch gar nicht. Sie servieren souverän und entspannt ihre perfekten Pop-Tortenstücke der 80er und 90er: "Always on my mind", "Its a sin", "Westend Girls". Tennant trägt passend zum Dauernieselregen einen langen schwarzen Lackmantel mit Charme und Melone - der perfekte britische Gentleman. Und so geht er auch ab: Besten Dank für die Einladung, auf Wiedersehen - keine Zugabe.

Jetzt drehen die Fans richtig auf. Sie kreischen in Kameras, Smartphones oder einfach so - natürlich ironisch, denn sie sind alle, wie auch die Take-That-Mitglieder, um die 40. Es ist ein Kreisch-Revival, bei dem jeder den Namen seines Lieblingsmitglieds kreischt, sobald die Jungs, äh, Männer, die Bühne betreten. Aber Mr. Most wanted fehlt. Sollte Robbie Williams etwa noch durch die Lebensmittelvergiftung, die er sich gerade in Dänemark zugezogen hatte, noch verhindert sein? Das wäre eine Katastrophe …

Obwohl die anderen vier in ihren an Kellner erinnernden schwarz-bordeaux-farbenen Enge-Hosen-mit-Westen-Ensembles adrett aussehen. Vor allem Howard und Jason haben durch die Jahre eher gewonnen.

Dieses Nussknackerhafte

Auch Gary, früher eher speckig, wirkt mit seinem lichter werdendem Haar und ein paar Fältchen jetzt so nett und freundlich, dass man sich auf seinen Schoß setzen und ein Bilderbuch angucken möchte - ein toller Daddy. Sowohl er als auch Howard und Marc, der Zwerg der Band, haben mittlerweile Kinder. Marc hat aufgrund seiner Anatomie jetzt dieses Nussknackerhafte, das durchtrainierten, nicht mehr ganz jungen, kleinen Männern zu eigen ist.

Nachdem Robbie letztes Jahr Ayda Field geheiratet hat, ist Jason Orange jetzt der einzige Single der Band. Damit haben die Gerüchte mit Kultstatus, die Bandmitglieder seien schwul, sich wohl leider erschöpft.

"You light up the Sky" singt die reformierte Boyband - leider wird der Regen aber immer heftiger und vermischt sich mit dem gelben Papierschnipselregen, der durch die Arena gewirbelt wird. Für Wirbel sorgen auch die zahlreichen Tänzer, die Leuchtkugeln schwingen und als Häschen und Bienchen in einer "A Bugs Life"-Kulisse herumschwirren, während andere auf einer Raupe reiten - ein skurriles Szenario, das nur noch dadurch getoppt wird, dass Marc das Publikum plötzlich auffordert, die Nationalhymne zu singen.

Leichtes Unbehagen. Aber es gibt dann doch genügend Fans, die ihm, wenn auch etwas zaghaft, den Gefallen tun. Irgendwie ein schräger Moment. Den man aber sofort vergisst, denn dann geht es richtig los. Robbie Williams fährt mit "Let me entertain you" auf die Bühne nieder, und nach 30 Sekunden gibt es garantiert nicht einen Menschen in der Arena, der von dieser Energie und Bühnenpräsenz nicht mitgerissen wird.

Dieser Mann ist der geborene Popstar - gerade mit seinen öffentlich zur Schau getragenen persönlichen Unzulänglichkeiten, musikalischen Flops, Drogen-, Alkohol- und Beziehungsproblemen. Zu "Rock DJ" beglückt er uns mit einem schwingenden Becken in Großaufnahme. Und dann grölt er ins Mikrofon, die anwesenden dänischen Fans mögen ihrer Presse zu Hause mitteilen, sie möge sich doch bitte selbst ficken.

Die Kollegen hätten doch tatsächlich behauptet, er habe womöglich gar nicht an einer Lebensmittelvergiftung gelitten, sondern wäre wieder dem Alkohol verfallen! Das sei eine fiese Verleumdung, vielmehr sei er so high auf Heroin gewesen, dass man ihn vom Auftritt abgehalten habe, behauptet er zynisch.

Im weiteren Verlauf seiner Soloshow haut die notorische Rampensau, die derzeit ohne Band-Support angeblich an Panikattacken leidet, dem dankbaren, ausgehungerten Publikum noch "Come undone" samt Keith-Richard-Gesten um die Ohren, um es dann zu "Feel" und "Angels" ordentlich mitgrölen zu lassen. So schön diese Nostalgie auch ist, es wäre wirklich an der Zeit für ein neues Soloalbum. Aber da war doch noch was. Ach ja, der Rest der Band! Für ihren großartigen aktuellen "Hit The Flood" - so dramatisch wie von Queen, so eingängig poppig wie von den Pet Shop Boys und so voller Pathos wie die jungen Take That - wird die Bühne fast geflutet. Eher unnötig bei dem Wetter.

Trommelnde Mönche

Ein bisschen Koketterie à la "Wer hat damals wen verlassen" - Robbie die Band oder umgekehrt? Wie gehen noch mal die Tanzschritte zu "Could it be Magic"? Hihi, Robbie und Marc müssen Milch statt Wein trinken, und, huhu, wir machen ein total gestelltes Fotoshooting - darf natürlich ebenso wenig fehlen wie die alten Hits "Babe", "Back for good" und "Everything changes but you". Auch wenns so flach klingt wie ein Werbejingle, zumindest im Gegensatz zu "No regrets".

Doch es vergeht kein weiteres Lied, ohne dass sich die Bühnenshow nicht stets auf ein Neues selbst übertrifft: trommelnde Mönche, Mad-Max-Schachfiguren mit Kopfschmuck, ein Breakdance Battle zu "Kidz" und jede Menge Feuer. Vor allem aber ein riesiger C-3PO-Kamerad, der sich, wie auf dem Cover des aktuellen Albums "Progress", aus der Hocke langsam aufrichtet, bis er bei "Never forget where youre coming from" schließlich leuchtend steht, während das ganze Stadion im Takt die Arme schwenkt und der Regen prasselt. Ein großer Augenblick.

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