Taz-Serie Schillerkiez: Ein Jahr Wandel: Studikneipe statt Casino

Der Neuköllner Schillerkiez ist in Bewegung gekommen. Und er hat auch sein Gesicht verändert.

Sterben langsam aus: die Billigbuden für Zocker Bild: schulz/taz

Die alte Spelunke Promenadeneck ist heute die Hipster-Kneipe Heisenberg. Das Roseneck, einst Spielcasino, wird nun unter "Frollein Langner" als Studentenbar betrieben. Im jüngst eröffneten Café Engels am Tempelhofer Feld gibts "Gnocchi mit Walnuss-Pesto" und "Sausebrause". Und am Herrfurthplatz plant demnächst das "Neu Deli" seine Eröffnung, mit "Leckereien" jenseits der "industriell hergestellten Supermarktangebote".

Seit vor einem Jahr, am 8. Mai 2010, das Tempelhofer Feld als Park öffnete, befindet sich der Schillerkiez im Wandel. Unübersehbar. "Jahr des Aufbruchs und der Erneuerung" hat das Quartiersmanagement seinen Slogan für 2011 gewählt. "Einerseits war das geplant", so heißt es in einem Infobrief. "Andererseits gaben die aktuellen Entwicklungen im und um den Schillerkiez das Tempo vor".

Zahlreiche Gerüste im Viertel weisen auf Haussanierungen hin. Bei Immobilienportalen klettern die Mietpreise für Wohnungen langsam, aber stetig nach oben. Und die Immobilienfirma Tarsap preist munter eine Vielzahl an Wohnungen und "Lofts" im Schillerkiez an - zum Verkauf. Direkt "am zukünftigen Central-Park von Berlin", werben die Makler offensiv. "Entfernung bis zur City West mit seinem KaDeWe ca. 15 Minuten per Bahn oder Auto".

Viele Bewohner erfreuen sich an dem Neuen, dem Aufgeräumteren. Andere reagieren aber auch unsicher auf die forsche Entwicklung. Veranstaltungen zur Zukunft des Tempelhofer Feldes füllen inzwischen Säle. An Fassaden prangen Graffiti: "Mieten runter, Löhne rauf", oder auch "No More Rollkoffer".

Trotz allem: Bisher schlüpft das Neue oft noch in Lücken und Leerstand, zumeist ohne Etabliertes zu verdrängen. Wie seit zwanzig Jahren gehen bei Vierländer Gold-Ei die XL-Eier über den Ladentisch. Und im Kienitzer Stübchen gibt es weiterhin Rum-Cola für einen Euro.

Längst sind nicht alle Probleme im Kiez gelöst. Im Jahresbericht "Soziale Stadtentwicklung 2010", im Januar veröffentlicht, rangiert der Schillerkiez auf Platz 401 von 447 Berliner Stadtteilen. Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch, viele Schillerkiezler leben von Sozialleistungen, viele Kinder in anhaltender Armut. Die Zahlen sind allerdings von Ende 2009, fünf Monate vor Eröffnung des Tempelhofer Feldes. Der Trend damals: positiv. Etwas weniger Langzeitarbeitslose, mehr Zuzügler als Wegzieher. Es spricht viel dafür, dass dieser Trend Bestand hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.