Thailands frühere Premierministerin: Ist Shinawatra nach Dubai geflohen?

Kurz vor dem Urteil in einem politisch motivierten Verfahren hat Thailands ehemalige Premierministerin Berichten zufolge das Land verlassen.

Yingluck Shinawatras Anhänger demonstrieren vor Gericht und halten ein Foto der Frau in den Händen

Yingluck Shinawatras Anhänger am Freitag vor dem Gericht in Bangkok Foto: dpa

BERLIN taz | Damit hatte wohl niemand gerechnet – außer denen, die eingeweiht gewesen sein dürften: Am Freitagmorgen warteten Richter, Sicherheitskräfte, Journalisten und nicht zuletzt Tausende Anhänger von Yingluck Shinawatra darauf, dass sie vor dem Obersten Gericht in Bangkok erscheint. Doch die einstige Premierministerin tauchte nicht auf: Jüngsten Berichten zufolge, die sich auf Quellen aus dem Dunstkreis ihrer Partei beziehen, heißt es, Yingluck habe das Land verlassen.

Laut der Zeitung Khaosod ist sie über die Grenze nach Kambodscha und dann weiter über Singapur nach Dubai geflohen. In Dubai lebt die meiste Zeit über Yinglucks Bruder Thaksin Shinawatra im selbstgewählten Exil, der als Premierminister im September 2006 von der Armee gestürzt und 2008 wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war. Bevor Yinglucks Flucht bekannt wurde, hatten ihre Anwälte erklärt, sei sei erkrankt und bitte darum , den Urteilsspruch zu verschieben. Doch die Richter nahmen ihnen das nicht ab und erließen Haftbefehl gegen die 50-jährige Angeklagte.

Entsprechend viele Gerüchte schwirren gerade durch Thailands Hauptstadt. Es stellt sich die Frage, wie Yingluck fliehen konnte, ohne dass das Militärregime davon Wind bekommen hätte. Das legt mehrere Vermutungen nahe: Entweder hat der gesamte Überwachungsapparat der Junta versagt. Oder die frühere Premierministerin hatte Helfer in den Reihen von Beamten, Polizei und Armee, in denen längst nicht alle dem ultra-konservativen, royalistischen Establishment angehören, sondern durchaus mit Yingluck und ihrer gestürzten Partei Puea Thai (Für Thais) sympathisieren.

Es gibt auch eine dritte Möglichkeit: Die Junta wusste davon und ließ die Flucht zu, weil es ihr letztendlich lieber ist, Yingluck als Flüchtige im Ausland zu wissen denn als Märtyrerin im eigenen Land. Juntachef und Diktator Prayuth Chan-ocha verhöhnte die einstige Regierungschefin und erklärte: „Ich dachte, sie wäre mutig genug, vor Gericht zu erscheinen.“ Zudem ordnete er an, sie zu jagen und die Grenzen zu überprüfen.

Milliarden Dollar im Reis-Subventionsprogramm versickert?

In ersten Reaktionen äußerten viele Verständnis für ihre Flucht: In diesem politisch motivierten Verfahren hätte Yingluck niemals ein gerechtes Urteil erwarten können. Bei einem Schuldspruch drohen ihr bis zu zehn Jahr Haft. Yingluck selbst hatte im Vorfeld immer wieder darum gebeten, die Anklage fallen zu lassen: Sie sei unschuldig, da es ihrer gestürzten Regierung nur darum gegangen sei, den Reisbauern – ihrer Stammwählerschaft – zu helfen. Die Justiz wirft ihr Pflichtverletzung in Zusammenhang mit einem staatlichen Reis-Subventionsprogramm vor, bei dem Milliarden Dollar versickert sein sollen. Unterdessen wurde die Urteilsverkündung auf den 27. September verschoben.

Für Kritiker war von vornherein klar, dass Yingluck durch diesen Gerichtsprozess endgültig aufs Abstellgleis geschoben werden sollte. Ein fünfjähriges Politikverbot im Zuge eines nachträglichen Amtsenthebungsverfahrens war ihr schon im Januar 2015 durch das von der Junta eingesetzte Parlament auferlegt worden. Damals sagte sie, sie habe doch gar kein Amt mehr, dessen sie enthoben werden könne.

Sie verwies in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Verfassungsgerichts von kurz vor dem Putsch im Mai 2014, durch das sie mit neun ihrer Kabinettsmitglieder wegen angeblichem Machtmissbrauch geschasst worden war. Das Gericht hatte nur eine Rest-Regierung im Amt belassen, die zwei Wochen später vom Militär unter dem damaligen Armeechef und heutigen Diktator Prayuth gestürzt wurde.

Die gezielte Demontage des Shinawatra-Clans hat System: Seit dem Putsch 2006 gegen Thaksin Shinawatra haben die Militärs und das mit ihnen verbündete ultrakonservative royalistische Establishment alles daran gesetzt, die Thaksin-treuen Parteien, die seit 2001 alle Parlamentswahlen gewonnen hatten, kaltzustellen. Zudem ging es darum, deren vor allem aus den ärmeren Wählerschichten stammenden Anhänger zu entmündigen. Zuletzt gipfelte Thailands Dauerkrise von Herbst 2013 bis Frühjahr 2014 in den Demonstrationen der oppositionellen PDRC-Bewegung gegen die 2011 demokratisch gewählte Yingluck und ihre Puea-Thai-Partei. Mit der PDRC verbündet waren führende Generäle, die sich nach außen als Vermittler gaben, aber hinter den Kulissen die Fäden zogen.

Militärs zunehmend paranoid

Seit dem Putsch 2014 gab es nur noch kleine Proteste. Dennoch gebärden sich die Militärs, deren Herrschaft nur auf Angst und Unterdrückung basiert, zunehmend paranoid. So kritisierte Yingluck kürzlich, dass die Junta schon vor dem Urteil damit begonnen habe, ihre Konten einzufrieren, um die ihr schon 2016 auferlegte Geldstrafe von über einer Milliarde US-Dollar einzutreiben.

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