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The Tribe of Supernova in BerlinMit Hedonismus gegen Antisemitismus

„The Nova Music Festival Exhibition“ widersetzt sich dem Hass. Dort diskutiert werden Gegenstrategien zum „Silencing“ in der Klubszene.

Tal Shimony, Überlebende des Hamas-Massakers im Flughafen Temopelhof, Berlin, 30. September Foto: Manuel Genolet/dpa

Für eine Linke, die in Haupt- und Nebenwidersprüchen denkt, ist das Massaker während des Supernova-Musikfestivals am 7. Oktober 2023 wenig mehr als eine Randnotiz.

Für andere ist es ein Ereignis, das auf tragische Weise deutlich macht, warum wir die Humanität niemals angeblich höheren politischen Zielen unterordnen dürfen. Nichts rechtfertigt unmenschliches Handeln. Der Weg ist das Ziel. Und wer vom Weg abkommt, verfehlt das Ziel.

„Am Tag danach haben wir nicht verstanden, was geschehen ist“, sagt Tal Shimony. Die in Berlin lebende junge Israelin ist eine Überlebende des Massakers beim Supernova-Festival. „Jeder, der da war,“ so Shimony, „wurde an diesem Tag in gewisser Weise ermordet.“ Sie sagt dies bei einer Veranstaltung in der Ausstellung „The Nova Music Festival Exhibition“.

The Nova Foundation

Die Austellung im Flughafengebäude Berlin Tempelhof ist noch bis zum 16.11.2025 zu sehen. Nähere Informationen unter: https://novaexhibition.com/berlin-exhibition

Hier im Gebäude des stillgelegten Flughafens Tempelhof in Berlin diskutiert sie mit Katja Lucker (Initiative Musik), Nikolas Lelle (Amadeu Antonio Stiftung), den Buchautorinnen Maria Kanitz und Lukas Geck über „Antisemitismus in der Musikszene“. Über das „Silencing“ israelischer oder jüdischer Menschen wie Shimony nach dem 7.Oktober auch in Berlins Klubszene.

Plakat zur Ausstellung am Flughafen Tempelhof, 6. Oktober 2025 Foto: Stefan Zeitz/imago

Love, Trance and Peace

Die Ausstellung in Tempelhof repräsentiert dagegen den eindrucksvollen Versuch der Überlebenden, sich mit den Ereignissen des 7. Oktober auseinanderzusetzen. Ihre hedonistischen und friedvollen Ideale gegen das zu verteidigen, was geschah, als palästinensische Extremisten in Israel einfielen und allein beim Supernova-Musikfestival 378 Menschen töteten, 44 Festivalbesucher in den Gazastreifen verschleppten. Die letzten elf der noch lebenden Entführten kamen erst am 13. Oktober 2025 – nach zwei Jahren – frei.

„The Nova Music Festival Exhibition“ hat einen schweren Stand in einer Stadt wie Berlin. Doch sie wurde von Menschen wie Shimony gemacht, die sich gegen völkischen, patriarchalen, religiösen Hass wenden und weiterhin auf eine Politik der Freundlichkeit setzen. Wer sich darauf einlässt, wird die Ideale des Tribe of Supernova kennenlernen, aber auch die Aggression derjenigen, die ihn auslöschen wollten.

Shimony verlor am 7. Oktober viele ihrer Freunde, will an sie erinnern, ohne auf Hass mit Hass zu reagieren. Doch wie will man jenen in Kultur und autoritärer Linken begegnen, die wie Judith Butler den totalitären Islamismus nur als eine Reaktion auf Verfehlungen des Westens und Israels betrachten?

Durch Selbstauflösung wohl kaum. Eher den angeblichen Neben- zum Hauptwiderspruch machen: Schaut auf den Tribe of Supernova, Menschenrechte gelten universell. Kein Bündnis mit deren Feinden.

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15 Kommentare

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  • Ich war auf der Ausstellung über das Massaker der Hamas am Nova Festival – und muss gestehen: Ich fühlte mich dort zeitweise fremd. Während die Überlebenden und Ausstellungsmacher erstaunlich ruhig und gefasst erzählten, war meine eigene Reaktion eher biblisch - Zorn, Rache, Fassungslosigkeit. Vielleicht liegt das daran, dass die Nova-Szene, dieser moderne Hippie-Geist, eine andere Sprache des Umgangs kennt – Frieden, Liebe, Vergebung. Und ja, das ist irgendwie bewundernswert. Ich könnte das nicht.

    Was dort gezeigt wird, sind gefilterte Aufnahmen, und selbst diese sind schwer zu ertragen. Ich habe einige der Originalvideos gesehen, die die Täter selbst filmten – pure Entmenschlichung, inszenierte Grausamkeit. Dass es Menschen gibt, die so etwas relativieren, beschönigen oder gar "im Kontext" erklären wollen, ist für mich unbegreiflich. Wer das Nova-Festival als Symbol für „Besatzung“ deutet, hat schlicht jedes Maß verloren. Diese Ausstellung zeigt nicht „Konflikt“, sondern den Abgrund menschlicher Brutalität - und die fast übermenschliche Stärke jener, die ihn überlebt haben.

    • @Heike 1975:

      Waren Sie auch auf einer Ausstellung über die Opfer der israelischen Strafexpedition in Gaza (sogar laut israelischen Einschätzungen c. 80 Zivilisten)? Oder haben Sie sich mit den Lebensumständen in den besetzten Gebieten vor 2023 befasst? Vermutlich nicht und genau diese selektive Empathie ist das Problem. Dazu gehört übrigen auch das selektive Kontextualisieren: denn daran, israelische Kriegsverbrechen mit dem Verweis auf Hamas zu rechtfertigen, haben Sie kein Problem. Eine Gewaltspirale versteht man nicht, wenn man nur die Gewalt der einen Seite sehen will und im konkreten Fall auch die grundsätzliche Assymetrie des Konfliktes ignoriert. Wer Leid nur anhand ethnischer Bruchlinien wahrnimmt, ist nicht moralisch, sondern rassistisch.

      • @O.F.:

        Waren Sie in der Ausstellung über das Massaker der Hamas? Oder gilt Ihre Empathie nur den Opfern der israelischen Strafexpedition in Gaza?



        Auch in einem "asymetrischen Konflikt" sind der vermeintlich unterlegenen Seite nicht alle Mittel erlaubt, noch lassen sie sich aus deren "Unterlegenheit" oder "Leiden" alleine erklären.

  • Danke an Tal Shimony und Andreas Fanizadeh.

    Natürlich werden die Erinnerungen an den 07.10.2023 von einer gewissen Linken unterdrückt. Weltweit.

    Eine Linke, die ich als extrem rechts einstufen würde, milde ausgedrückt.

    Die Nobelpreisträgerin Herta Müllerin ihrer Stockholmer Rede:



    "Darf man beim 7. Oktober an die Massaker der Nazis denken? Ich glaube, man sollte es sogar tun, weil die Hamas selbst die Erinnerung an die Shoah wachrufen wollte. Und sie wollte demonstrieren, dass der Staat Israel keine Garantie mehr für das Überleben der Juden ist. Dass ihr Staat ein Trugbild ist, das er sie nicht retten wird. Der Verstand verbietet einem die Nähe zu dem Wort Shoa. Aber warum muss er das verbieten? Weil das Gefühl, das man hat, dieser pulsierenden Nähe nicht ausweichen kann."



    "Die Hamas will den Antisemitismus als bleibende globale Grundstimmung erhalten. Deshalb will sie auch die Shoa umdeuten. Auch die Naziverfolgung und die rettende Flucht nach Palästina sollen infrage gestellt werden. Und damit letztendlich das Existenzrecht Israels."

    Gewisse Linke sind gern dabei. Wir kennen das. Seit langem.

    vrds.de/ich-kann-m...-nicht-vorstellen/

    • @shantivanille:

      Das ist, mit Verlaub, Unsinn: die Linke ist gar nicht in der Lage, Erinnerungen zu unterdrücken - mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass die grossen Medienhäuser, der Rundfunk oder auch die im Bundestag vertretenen Parteien von propalaestinensischen Aktivisten geleitet werden. Sie müssen nur eine Tageszeitung Ihrer Wahl aufschlagen, um an den 7.10. erinnert zu werden. Dass daneben auch das Entsetzen über Israels genozidale Kriegsführung artikuliert wird, hat dessen rechtsextreme Regierung sich selbst zuzuschreiben. Daran ändern auch die Vereinfachungen Müllers nichts (die keine NO-Expertin ist). Ohnehin ist es billig, anderen rechte Tendenzen zu unterstellen, wenn man sich selbst als Le Pen-Unterstuetzer geoutet hat...

  • Wer seinen hedonistischen Idealismus für friedvoll hält, ignoriert dessen ganz materialistischen Voraussetzungen und Folgen. Er/Sie betriebt das liberale Trugspiel von der Freiheit, die aus der ursprünglichen Verantwortungslosigkeit des Kindes eine Tugend fürs Leben macht: Bin nur mir selbst der Nächste. Aber erklären sie mal einem liberalen Geist, dass andere nicht nur gleichen Rechte haben sollten, sondern diese auch ganz handfest verwirklichen können müssen.

    Solange wir dem Irrtum der naturgesetzlichen Freiheit des Individuums anhängen, wird das nichts mehr, mit der gemeinsamen und unteilbaren Verantwortung für das Zusammenleben, die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und eine friedliche Welt.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Hedonistischer Idealismus ist für mich ein Widerspruch in sich.

  • Es wird stets polarisiert, was ja in die Kriegs& Tötungslogiken führt, statt da heraus:Ja:am 7.10. wurden viele gerade der Friedens Aktivisten/innen, wie Vivian Silver v.Women Wage Peace umgebracht, die gerade hier lebten aus diversen Gründen: um Menschen in Gaza zu helfen, aber auch weil in den Zentren wie Tel Aviv die Gentrifizierung zu hohen Mieten führte,während die Israelische Regierung günstiges Wohnen im Vorfeld der Besatzungs-mauern um Gaza ermöglichte.Der Sohn von Vivian Silver,Jonathan Zeigen, hat gleich nach dem 7.10. im Sinne seiner Mutter weiter gegen Netanyahus Regimes genozidale Politik mobilisiert, weil die Friedens Aktivisten,die die Realität kannten, sehr wohl ahnten was folgen täte, wenn das rechtsextreme Regime die IDF nach Gaza einmarschieren lassen würde und dass es das zu verhindern gelte!! Ich habe vermisst, dass solch genaues Friedensengagement unterstützt würde.Dass das Massaker vom 7.10.23 kollektive Traumata wach rufen würde,war kein Wunder,umso schlimmer, daß es den Rechtsextremen erlaubt wurde, das Trauma zu benutzen&propagandistisch wach zu halten,um grenzenlose Rachegefühle zu schüren!Auge um Auge-Zahn um Zahn! Gesetz verbietet solche im Judentum!

    • @R.L.:

      Haben Sie eine überzeugende Alternative in petto, die es Israel ermöglicht hätte in Frieden zu leben ohne die Hamas, die ja von einem "wieder und wieder" und dem "07. Oktober als Generalprobe" sprach, zu bekämpfen?

      Einer Hamas, deren Strategie darin bestand Palästinenser als Schutzschilde zu missbrauchen, während sie in ihrem 1000 Kilometer langen, seit Jahrzehnten vorbereiteten Tunnelsystem saßen? Bestens versorgt.

      Ziel möglichst viele Opfer zu generieren um eine weltweite Empörungs- und Antisemitismuswelle zu generieren.

      Was ist Ihre Strategie?

      • @shantivanille:

        Ja, und Sie kennen die Lösung auch (jedenfalls wurde Sie Ihnen oft genug erklärt): dem Grundkonflikt lösen und das heißt ein Ende der Besatzung (die älter ist als Hamas) und die Gründung eines Palästinenserstaates in Gaza/WJL/OJ. Das wäre nicht nur rechtlich und moralisch geboten, sondern auch realpolitisch: oder glauben Sie, das es zur Deradikalisierung beträgt, wenn man die Palästinenser (die nicht weniger Mensch sind als Sie oder ich) weiterhin in Bantustans dahinvegetieren zu lassen? Die Opfer in Gaza immer noch mit der Aber Hamas-Masche erklären zu wollen, ist ohnehin wenig überzeugend: es ist hinreichend dokumentiert, dass die israelische Soldateska systematische Kriegsverbrechen begangen hat (vermutlich bis hin zum Völkermord) - teils durch Videos, die die Täter selbst in sozialen Medien verbreitet haben. Lesen Sie doch einmal, was (auch israelische) Menschenrechtsorganisationen darüber zu berichten wissen - diesmal kann niemand behaupten, er hätte nichts gewusst...

  • Der Autor schreibt, für manche Linke sei das Massaker beim Supernova-Festival „wenig mehr als eine Randnotiz“. Dass der Artikel selbst in der taz genau so eine Randnotiz geworden ist – schmal am Seitenrand platziert – wirkt da fast wie eine (ungewollte?) Illustration.

  • Ich finde es bemerkenswert, dass Fanizadeh und sein ideologischer Umfeld gerne Linke als "autoritär" beschreiben, selbst aber wenig Anstoß an repressiven Maßnahmen nehmen, sofern diese der eigenen Agenda nicht zuwiderlaufen. Das gilt sowohl außenpolitisch (wenn man ganzen Völkern eine Bantustanexistenz zumutet, weil sonst ja Islamisten an die Macht kommen könnten) als auch innenpolitisch (ein kritisches Wort über das rechtsstaatlich äußerst fragwürdige Vorgehen gegen propalaestinensische Proteste habe ich noch nicht gehört). Dasselbe gilt für den lautstark verkündeten Universalismus, der immer nur der Feinderklärung dient, aber stets vergessen wird, wenn es um die Opfer der eigenen Seite geht. Damit wiederholt Fanizadeh natürlich nur, was seit jeher hiesige Praxis ist: er spricht von Freiheit, Universalismus etc., wenn es eigentlich nur um die eigenen Privilegien geht. Das ist eine "Stört unsere Party nicht, ihr Opfer"-Attituede, die erstaunlich FDP-konform ist, in der taz ist man aber eigentlich mehr Selbstreflexion gewöhnt. Die routinierte Fehlinterpretation Butlers macht das auch nicht besser.

  • Hat mich nachdenklich gemacht. Es ist irgendwie nicht in Ordnung, Leute nur wegen einer Zugehörigkeit oder einer Meinung auszuladen, sofern diese nicht Gewalt an Unschuldigen verbal gutheißt. WÄre es auch nicht bei russischen Staatsangehörigen wie ich finde.

    Aber die Grenze oben würde ich ziehen: Ich denke aber, dass dann viele Leute weiter kulturell partizipieren könnten, die derzeit ungerechtfertigt ausgegrenzt werden.

    Eine verbale Distanzierung zu verlangen ist heikler, aber auch das kann ich in manchen Fällen nachvollziehen. Wenn man den Universalismus ernst nimmt und es gerade andauerende Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in großen Ausmaß sowie gar starke Anhaltspunkte für Völkermord gibt, müsste eine humanistische Perspektive diese verdammen. Und zum Humanismus finde ich sollten sich Menschen in manchen Kontexten schon bekennen müssen. Und das lässt wohlgemerkt Raum dafür, dass diese Menschen z.B. auch die Hamas oder Antisemitismus kritisieren dürfen, denn diese sind ja auch nicht universalistisch.

    • @JK83:

      Das Problem ist, dass der Konflikt so aufgeladen ist, dass die pro Israel Seite die gezielte Vernichtung der Palästinenser in Gaza und im Westjordanland entweder direkt leugnet oder ignoriert und Teile der pro Palästina Seite die Opfer des islamistischen Terrorismus in Israel ebenso.

      Und das ist der Punkt wo man ansetzen muss, in Wort und Tat.



      Wer die Verbrechen an unschuldigen Zivilisten von Seiten der Hamas und ihrer Verbündeten rechtfertigt oder gutheißt, verabschiedet sich von jeglicher Menschlichkeit. Mit solchen Leuten kann man auch nicht mehr diskutieren, solche Positionen sind grundsätzlich komplett indiskutabel.



      Das gleiche gilt allerdings auch für diejenigen, die den Völkermord der Israelis in Gaza verteidigen.



      Wer denkt, dass irgendwas besser wird, wenn man auf das Abschlachten von 1000 Zivilisten damit reagiert dass man Zehntausende Zivilisten abschlachtet, dem ist nicht mehr zu helfen. Der gehört gesellschaftlich geächtet!

    • @JK83:

      Mal sehen, wie lange es dauert, bis Ihnen die ersten hier wortreich erklären, dass Ihr Humanismus reiner Luxus eines Privilegierten ist, den sich die "Verdammten dieser Erde" nun mal nicht leisten können...