Theologe Huber über seinen Nazi-Vater: „Das wirkte grauenhaft auf mich“

Wolfgang Huber gehört zu den wichtigsten evangelischen Theologen der Bundesrepublik. Sein Vater war ein führender Nazi-Jurist. Ein Gespräch mit dem Sohn über Schuldbekenntnisse.

Ernst im Blick: Wolfgang Huber, demnächst 70, Bischof i.R. und ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bild: ap

Wenn der Theologe Wolfgang Huber von seinem Vater erzählt, dann sind da zunächst unbeschwerte, fast zärtliche Erinnerungen. Wie sie die durch einen Wasserschaden durchnässten Bücher des Vaters mit einem zum Föhn umgebauten Staubsauger trockneten oder wie er als kleiner Junge auf dem Boden des Arbeitszimmers saß, Zeitung las und dem gebildeten Vater Fragen dazu stellen durfte. Das war, sagt Wolfgang Huber, "ein Höhepunkt" seiner Kindheit.

Aber es gab auch Momente, die ließen den Jungen schaudern, da schämte er sich für den Vater. Etwa wenn er dessen Korrespondenz im Keller des Hauses ordnete und immer mal wieder in den juristischen Schriften des Vaters las – und Stellen fand, in denen er die Judenverfolgung durch die Nazis „im Interesse der Geschlossenheit des Staatsvolkes“ legitimierte.

Wolfgang Huber sagt im sonntaz-Gespräch: „Das wirkte grauenhaft auf mich.“ In seiner inneren Haltung zu seinem Vater aber habe ihn das nicht schwankend gemacht: „Einerseits war da der Schock in der Eindeutigkeit, andererseits die Schwierigkeit: Wie soll man das als 14-Jähriger vor seinem Vater ansprechen, ohne dabei die Loyalität aufzukündigen?“

Ernst Rudolf Huber, der Vater, war einer der wichtigsten Staatsrechtler der Nazis, Professor in Kiel, Leipzig und Straßburg, einer der Wegbereiter der Nürnberger Gesetze. Wolfgang, der Sohn, wurde einer der wichtigsten evangelischen Theologen der Bundesrepublik. Nach dem Studium promovierte er, habilitierte sich in Heidelberg, war Professor in Marburg und Heidelberg. Von 1994 bis zu seiner Pensionierung 2009 war er Bischof der Kirche Berlin-Brandenburg und von 2003 an Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Im sonntaz-Gespräch erzählt Huber, der am 12. August 70 Jahre alt wird, von einer bis zuletzt engen Vater-Sohn-Beziehung, die ihre Prägung zu Hubers Jugendzeiten erfuhr. Aufgrund seiner Nazi-Vergangenheit hatte der Vater die Lehrbefugnis verloren und war über viele Jahre arbeitslos. Während die Mutter Tula Huber Simons, eine Tochter des zeitweiligen Außenministers der Weimarer Republik, Walter Simons, als Rechtsanwältin das Geld verdiente, kümmerte sich der Vater um die fünf Söhne.

Wolfgang Huber erinnert sich im sonntaz-Gespräch an „seine Bratkartoffeln ohne Fett, nur mit Salz“. Rückblickend verleiht er ihnen das Geschmacksurteil „geht so“, aber es fehlte in den Nachkriegsjahren eben oft am Nötigsten.

Als der Vater 1957 wieder einen Lehrstuhl erhielt – an einer kleinen Hochschule in Wilhelmshaven – wurde ihm eine Mitgliedschaft im Rotary-Club angetragen, für die er eine Selbstdarstellung verfassen musste. Er bekannte sich darin zu seiner Schuld, und als er den Text seinen Söhnen vortrug, empfand Wolfgang Huber es als befreiend, „dass er seinen Irrweg endlich klar zur Sprache brachte“.

Im sonntaz-Gespräch in der aktuellen taz-Wochenendausgabe spricht Wolfgang Huber außerdem über das Leben mit seinem Vater in einer Göttinger Zweier-WG, wie sie über die Vergangenheit diskutierten und welche Rolle die 68er für seinen Vater spielten. Lesen Sie das ganze Gespräch in der Wochenendausgabe der taz vom 28./29. Juli – an jedem gutsortierten Kiosk, im eKiosk oder per Wochenendabo direkt in Ihrem Briefkasten. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

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