Theorie und Forschung : Alternative Kunstproduktion

Karen van den Bergs und Ursula Paseros Reader mit Interviews, Essays und empirischen Studien fragt nach der „Art Production Beyond the Art Market“.

Im Sommer wird der von Christoph Schäfer initiierte Hamburger Park Fiction solidarisch mit den Aktivisten in Istanbul in Gezi Park umbenannt Bild: parc-fiction.net

Breites öffentliches Interesse hat Kunst dann, wenn es um ihren kommerziellen Erfolg geht. Die 142,4 Millionen Dollar, die Christie’s vor Kurzem für die „Three Studies of Lucian Freud“ des verstorbenen Malers Francis Bacon erzielte, überzeugte schlagartig eine ganze redaktionelle Morgenkonferenz von der Bedeutung der Gegenwartskunst. Doch jenseits des Kunstmarkts, was passiert da?

Jenseits von Auktionen, Messen, Ausstellungen und den damit verbundenen Institutionen, findet sich ein breites Spektrum selbstorganisierter künstlerischer Aktionen und Initiativen, seien es unabhängige Unterrichts- und Vortragsprogramme, Recherchegruppen oder Projekträume. Dieses Feld will die neue Publikation „Art Production Beyond the Art Market?“ vermessen.

Künstler und Künstlerinnen, die sich bewusst entschieden haben, in kunstfernen oder kunstfremden Kontexten produktiv zu werden, wie werden sie, wie wird die Relevanz ihres Werk sichtbar? Dieser Frage gingen die Herausgeberinnen des Bandes, Karen van den Berg und Ursula Pasero, nach.

Karen van den Berg and Ursula Pasero (eds.): „Art Production Beyond the Art Market?“. Sternberg Press, Berlin 2013, 260 Seiten, 19 Euro

Dazu interviewten sie Künstler wie etwa Hans Haacke, Gewinner des Goldenen Löwen der Biennale von Venedig 1993 und Altmeister der Institutionenkritik, Oliver Ressler, bekannt als antikapitalistischer Kunstaktivist, oder Christoph Schäfer, künstlerischer Produzent im urbanen Raum und Alltag. Wie steht es mit dem Selbstverständnis der Künstler, ihrer ökonomischen Situation, den Organisationsformen und Netzwerken?

Wie ist das Selbstverständnis der Künstler?

Neben diesen Interviews informieren Untersuchungen der empirischen Sozialforschung zur Situation der Künstler, etwa in Berlin, Essays gehen Fragen nach wie: „Why Artists Go Unpaid?“ Ursula Paseros Überlegungen sind wie sämtliche Beiträge in Englisch verfasst. Wie Karin van den Berg unterrichtet sie an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Die private „Universität zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik“, so die Selbstbeschreibung, ist auch sprachlich international ausgerichtet.

Die Tour d’Horizon durch all die Möglichkeiten, künstlerische Produktion jenseits des Marktes erst einmal festzumachen, um dann Ansprüche, Risiken und Potenzial zu analysieren, überzeugt, weil auch Spaß und Lust von Selbstermächtigung zur Sprache kommen. Genauso wie die Funktionalisierung und Instrumentalisierung der Arbeit am Rand des künstlerischen Feldes. Denn der Angriff all der Kunst- und Kulturstiftungen, der Forschungseinrichtungen, Thinktanks und Kulturgremien setzt gerne hier an, wo die Haltung erst einmal nach allen Seiten hin offen ist.

Mit ihren Förderungs-, Beratungs- und Professionalisierungsmaßnamen wollen sie weniger helfen als vielmehr regulieren, eingreifen und steuern, wie Pascal Gielen, Kunstsoziologe an der Universität Groningen, es für die Niederlande beobachtet, wo die Regierung 2011 erklärte, den Kulturetat bis 2014 um 26 Prozent kürzen zu wollen. Dass die Kulturszene mit Businessplänen statt einem Aufschrei reagierte, erklärt Gielen mit der erfolgreichen Durchdringung des Kunstsektors mit Managementstrukturen, schon vor den Budgetkürzungen.

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