Tödliche Meningitis in Westafrika: Epidemie ohne Aufmerksamkeit

Während der Westen seine Blicke auf die Schweinegrippe konzentriert, wütet in Westafrika die schlimmste Epidemie seit 1996. Tausende sind bereits gestorben.

Anas Mustapha ist eines der Kinder, an dem seinerzeit das Meningitismedikament getestet wurde. Seitdem leidet der Nigerianer an einem Gehirnschaden. Bild: ap

BERLIN taz | Die Afrikanische Union (AU) und die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) haben wegen der Schweinegrippe aus Mexiko ihre Mitgliedstaaten aufgerufen, Notfallpläne aufzustellen. Das Paradox: Die neue Seuche hat Afrika gar nicht erreicht. Dafür wütet in Westafrika die schlimmste Meningitis- und Masernepidemie seit Jahren.

Über 1.900 Menschen sind seit Jahresbeginn im Norden Nigerias sowie in grenznahen Teilen der nördlichen Nachbarländer Niger und Tschad an Meningitis (Hirnhautentzündung) gestorben, berichtete das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen (MSF) Ende April. Die Organisation hat daher ihr bisher größtes Impfprogramm gestartet, für 8 Millionen Menschen. Es sei die schlimmste derartige Epidemie seit 1996, als der verheerendste Meningitisausbruch in Afrikas Geschichte 25.000 Tote forderte. In Burkina Faso sprach die Regierung Ende letzter Woche von 449 Meningitistoten, dazu von 226 Masernopfern. Die Sterberaten seien höher als üblich. Meningitis ist endemisch in der afrikanischen Sahelzone, die von Mauretanien bis nach Äthiopien reicht. Dieses Jahr aber breitet sich die Seuche früher und schneller aus als sonst, erklärt die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Das Misstrauen in der Region gegen eine Meningitisbehandlung sitzt tief. 1996, während der letzten großen Epidemie, testete der US-Pharmakonzern Pfizer in der nordnigerianischen Stadt Kano ein neues Meningitismedikament namens Trovan an knapp 200 Kindern - 11 starben. Seit Jahren tobt darüber ein Rechtsstreit. Nigerias Expräsident Yakubu Gowon und der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter handelten im April ein Vergleichsangebot aus, wonach die Klage, ursprünglich auf Schmerzensgeld von 8,5 Milliarden US-Dollar, gegen eine Zahlung von 75 Millionen Dollar eingestellt werden könnte. Von dieser Summe würden 35 Millionen in Entschädigungen für die Opfer und 30 Millionen in den Ausbau der Kinderklinik von Kano fließen. Endgültig soll darüber Ende Mai entschieden werden.

Ausgerechnet in dieser Zeit bricht die Seuche erneut massiv in derselben Gegend aus. Ein Problem sei die hohe Anzahl von Migranten, die aus Nigeria über Niger Richtung Libyen und Europa zögen, so die WHO. Viele von ihnen seien wegen der anstrengenden Reise besonders infektionsanfällig und zögen mit der leicht übertragbaren Krankheit weiter, ohne sich behandeln zu lassen. Nun hängt vieles von der Akzeptanz der Impfkampagne ab - und von ihrer Finanzierung. Die EU-Komission hat dafür im April knapp 5 Millionen Euro bereitgestellt. Das deckt die Kosten nicht. Außerdem fehlt Geld für die Behandlung der über 50.000 Erkrankten. Bei prompter Behandlung der in der Sahelzone üblichen Meningitis beträgt die Sterberate laut MSF 10 Prozent. Ohne Behandlung 50 Prozent.

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