Total verkorkste Rückrunde: Vor den Trümmern einer Saison

Die Fußballer vom VfL Wolfsburg verlieren gegen die abstiegsbedrohten Augsburger 0:2 und treiben die Fans aus dem Stadion.

Nicht bloß ein Spiel verloren: Sinnbildlich für eine völlig missglückte Rückrunde liegt der Wolfsburger Ricardo Rodriguez im Spiel gegen Augsburg auf dem Boden rum Foto: Peter Steffen/ dpa

WOLFSBURG taz | Hier hallten Augsburger Jubelrufe durch den Kabinengang, dort knallte der Wolfsburger Maximilian Arnold seine Schienbeinschützer und ein getauschtes Trikot auf den Boden und knurrte, was man in so einer Gefühlslage knurrt: „Bitter“ und so weiter. Was man als Möglichkeit hatte einkalkulieren müssen, hatte sich bewahrheitet: Das 0:2 gegen den FC Augsburg am vergangenen Samstag zeigte den Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg im totalen Leerlauf. Da ging nichts mehr – außer die Anhängerschaft, die vorzeitig und in Scharen aus der VW-Arena flüchtete..

Die Stimmung in Wolfsburg ist ohnehin alles andere als gut. Da der Volkswagen-Konzern einen Rekordverlust von 1,6 Milliarden Euro meldet, weit höhere Milliardenzahlungen an betrogene Kunden anstehen und die Zukunft sehr ungewiss ist, die eben noch nach Welteroberung auszusehen schien.

Letzteres gilt auch für die VW-Tochter VfL, die nach ihrem bisher besten Jahr mit Vize-Meisterschaft und DFB-Pokalsieg nun mit einem richtig harten Rückschlag umgehen muss. Man hat zwei große Heimsiege errungen in der Champions-League gegen Manchester United und im Viertelfinalhinspiel gegen Real Madrid. Aber wenn man die Saison als Ganzes sieht, haben Kader, Team und Spielstil einen deutlichen Qualitätsverlust offenbart.

Auch die Club-Kultur ist nicht so fortgeschritten, wie VfL-Chef Klaus Allofs und Trainer Dieter Hecking gehofft haben mögen, um eine solche Saison zumindest ordentlich zu Ende zu bekommen. Wenn man nach 46 Sekunden das 0:1 bekommt – sechster Rückrundentreffer des Augsburger Stoßstürmers Alfred Finnbogason – ist das gar kein gutes Zeichen, aber man kann immer noch reagieren. Der VfL tat das aber nicht, schob den Ball hin und her und kontrollierte sich damit selbst – wie zu oft in dieser Saison. Der FC Augsburg, der eigentlich nervös hätte sein müssen, da abstiegsbedroht, konnte seinen laufintensiven Defensivstil relativ entspannt durchsetzen. Es folgte ein „zweiter fataler Fehler“, wie Hecking sagte, diesmal von Luiz Gustavo, der Altintop (57.) ein Tor ermöglichte. Das war’s.

Es sind weniger die drei Punkte, die dem VfL fehlen. Die Wolfsburger Chance auf das Erreichen der Europa-League war eh minimal. Aber nun muss die Rückrunde als völlig missglückt gelten, in der nur noch die mutmaßlichen Absteiger Hannover und Frankfurt schlechter sind. So ein Spiel, mit dem man auch noch das Stadion leer spielt, wirkt sich auf die Gesamtbetrachtung aus und entsprechend wird man nun harscher mit einzelnen Akteuren umgehen.

Etwa mit dem im August mit Blick auf die Champions-League verpflichteten WM-Teilnehmer Dante, dessen mangelnde Zweikampfstärke und Schusseligkeit für einen Innenverteidiger einfach nicht ideal ist. Auch der vor der Saison geholte Nationalspieler Max Kruse steht im Fokus, nicht wegen seines Privatlebens, sondern weil er auf dem Platz nur noch fahrig wirkt und mit dieser Fahrigkeit das 0:1 einleitete. Oder Andre Schürrle, diesmal gesperrt, der womöglich einfach nicht besser spielen kann, als er in Wolfsburg spielt.

So könnte man weiter kritteln und auch nochmal darauf hinweisen, dass der 70-Millionen-Euro-Verkauf von Kevin De Bruyne unter diversen Aspekten sinnvoll war – aber der singuläre Tempodribbler eben nicht kompensiert werden konnte, sodass Wolfsburg große Teile der Saison den Ball in den eigenen Reihen laufen lassen konnte, aber eben nicht mehr. Der einzige Kontersieg war das 2:0 gegen Real vor wenigen Wochen. Das Spiel gegen Augsburg war ironischerweise eine Umkehrung des Real-Spiels.

Da ging nichts mehr – außer die Anhängerschaft, die in Scharen aus der VW-Arena flüchtete

Ob die Aufregung im und um den Club so groß ist, dass es zu einem größeren Umbruch kommt? Zum einen gibt es Spieler, die weiter Champions-League spielen wollen. Zum anderen hat Allofs gesagt, dass man sicher „nicht mit diesem Team in die neue Saison gehen“ werde. Dennoch ist ein Total-Reset bei Allofs nicht zu erwarten und wäre auch kein gutes Zeichen, schließlich baut er seit vier Jahren auf und drei Jahre lang passte ein Stein zum anderen.

Es sind in einem Fußballteam und im Verlauf einer Saison oft kleine Risse, die dazu führen, dass das Ganze bricht. Man muss sie finden und dann kitten. Aber das ist leicht gesagt.

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