Transparenz beim Sponsoring: Geldspritze vom Pharmakonzern

Ein Kodex verpflichtet Pharmaunternehmen zu mehr Transparenz: Finanzielle Unterstützung von Kongressen und Fortbildungen muss offengelegt werden.

Auf den Fortbildungsveranstaltungen entscheidet sich auch, welche Arzneimittel in der Apotheke ausgehändigt werden. Bild: dpa

HAMBURG taz | Alle Jahre wieder bittet die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) die Fachöffentlichkeit nach Wiesbaden. Ihr wissenschaftlicher Kongress ist ein Großevent: Rund 8.500 Teilnehmer wurden 2013 gezählt, es gab über 1.700 Sitzungen, Vorträge, Workshops, Poster mit 1.228 Referenten. Der 120. Internistenkongress ist für Ende April angesagt.

Was die DGIM „im Jahr 2014 bewegt“, schilderte ihr Vorsitzender Michael Peter Manns in einer Pressekonferenz, die auf das Ereignis einstimmen sollte. „Die Durchlässigkeit zwischen akademischer Forschung und Industrie“, so Professor Manns, „muss größer werden: Wir brauchen mehr Persönlichkeiten, die zwischen beiden Bereichen wechseln, diese vernetzen und somit den Austausch fördern – unter Wahrung der Unabhängigkeit beider Seiten.“

Gemessen an der finanziellen Unterstützung für den 4-tägigen Kongress scheint die DGIM einen ganz guten Draht zur Pharmabranche zu haben. Im über 450 Seiten dicken Hauptprogramm findet man auch ein Kapitel mit der Überschrift „Transparenzvorgabe“. Aufgelistet werden hier Unternehmen, die reichlich Geld gezahlt haben, um die DGIM-Tagung zu sponsern und hier einen Ausstellungsstand plus Symposium zu platzieren, die auf einschlägige Firmenprodukte aufmerksam machen sollen.

Man liest zum Beispiel, dass AstraZeneca 92.700 Euro beisteuert, Novartis ist mit 86.575 Euro dabei und GlaxoSmithKline mit 79.800 Euro, außerdem MSD Sharp & Dohme (68.400 Euro), Boehringer Ingelheim Pharma (61.250 Euro), Bayer Healthcare (40.250 Euro ), Pfizer Pharma (26.200 Euro), Roche Diagnostics (23.500 Euro). Die ganze Liste der Sponsoren ist noch länger.

Die „Transparenzvorgabe“ ist keine Idee der DGIM; die Publikation der Gelder beruht vielmehr auf einer Vereinbarung der führenden, zurzeit 56 Pharmaunternehmen, die sich im Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) organisiert haben. In ihrem „FSA-Kodex Fachkreise“ gilt seit Mitte Juli 2012 auch diese vom Bundeskartellamt anerkannte Wettbewerbsregel: „Die Mitgliedsunternehmen, die externe Fortbildungsveranstaltungen finanziell unterstützen, müssen darauf hinwirken, dass die Unterstützung einschließlich der Bedingung und des Umfangs sowohl bei der Ankündigung als auch bei der Durchführung der Veranstaltung von dem Veranstalter offengelegt wird.“

 Welche medizinischen Kongresse, Tagungen, Fortbildungen werden von Pharmafirmen mit wie viel Geld gesponsert? Wer sich einen schnellen Überblick verschaffen will, wird im Internet zunehmend fündig.

Als Hilfsmittel braucht man eine gängige Suchmaschine, in die man die folgenden Begriffe gleichzeitig eingeben sollte: FSA, Kodex Fachkreise, Transparenzvorgabe.

 Anschließend werden reichlich Links zu einschlägigen Veranstaltungen auf dem Bildschirm erscheinen. (kpg)

Kontrolle im Internet

Ob und welche Einblicke diese Vorgabe in der Praxis bewirkt, können nicht nur eingeladene Ärzte, sondern auch interessierte Internetsurfer regelmäßig erfahren. Im Netz wimmelt es von Hinweisen auf Veranstaltungen für Mediziner, die durch Arzneihersteller finanziert werden, einige sogar mit sechsstelligen Beträgen. 101.000 Euro zahlt etwa die Bayer Vital GmbH, um mit Ausstellungsstand und Industrie-Symposium bei der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim vertreten zu sein. Teilweise noch mehr Pharmageld fließt bei Kongressen, die finanziell sehr lukrative Krankheiten wie Krebs oder Rheuma betreffen.

An die neue Offenheit müssen sich viele erst noch gewöhnen. Ein Rundschreiben der Verwaltung der Universität des Saarlands wies die Mitarbeiter der medizinischen Fakultät so auf den FSA-Kodex hin: „Ich bitte Sie, der Offenlegungsverpflichtung, soweit organisatorisch umsetzbar, sowohl in den Ankündigungsunterlagen als auch in der Veranstaltung selbst nachzukommen.“ Zudem sollten kooperationswillige Unimediziner „nach Möglichkeit“ einen Mustervertrag zum Sponsoring verwenden.

Die Vorlage der Saarbrücker Uni verlangt etwa, dass Sponsorgeld „ausschließlich für den wissenschaftlichen Teil der wissenschaftlichen Veranstaltung“ verwendet werden darf – und „keinesfalls für die Finanzierung von Unterhaltungsprogramm oder die Einladung von Begleitpersonen“.

Beschwerde beim FSA

Anlauf- und Auslegungsprobleme gab es auch in der Industrie. Deutlich wurde dies beim „15. Intensivkurs für klinische Endokrinologie“ im November 2012 in Nürnberg, wo zehn FSA-Mitgliedsfirmen ihre Produkte präsentierten. Alle zehn tauchten auch auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie in der Rubrik „Aussteller und Sponsoren“ auf – allerdings nur zwei Unternehmen mit dem Zusatz „EUR 1.200 für Werbemöglichkeit“. Über die lückenhaften Angaben hatte sich jemand so geärgert, dass er oder sie Beschwerde beim FSA einreichte – dazu befugt ist ja jeder, der einen Verstoß gegen Regeln des Kodex vermutet.

Der Fall kam vor die FSA-Schiedsstelle, und die gab ihre Entscheidung im August 2013 bekannt: Gegen acht FSA-Mitglieder – Ipsen, Lilly, Merck-Serono, Novartis, Otsuka, Pfizer, Sanofi-Aventis und Viropharma – wurden Geldstrafen zwischen 6.000 und 9.000 Euro verhängt, weil sie gegen Kodexparagraf 20, Absatz 5 verstoßen hätten – Begründung: Die acht Firmen hätten es versäumt, „in genügendem Maße darauf hinzuwirken“, dass der Fortbildungsveranstalter „Bedingung und Umfang“ der Zahlungen „bei der Ankündigung der Veranstaltung“ veröffentlicht. Erforderlich sei ein „zielgerichteter schriftlicher Hinweis des Unternehmens, was zu welchem Zeitpunkt offenzulegen ist“; nur mündliche Verabredungen reichten nicht. Die Unternehmen akzeptierten die Entscheidung und zahlten die Strafen zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen.

Die Klarstellung sollte nicht nur Ärzte, Apotheker und andere Heilberufler interessieren. Es gibt nämlich auch einen FSA-Kodex zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen, der seit 2009 ähnliche Transparenz verlangt. Gemäß Paragraf 15 müssen Arzneihersteller „darauf hinwirken“, dass Organisationen der Patientenselbsthilfe, die geldwerte Unterstützung von FSA-Firmen erhalten, dies kenntlich machen – und zwar „von Beginn an gegenüber der Öffentlichkeit“.

Transparenz bei Selbsthilfeorganisationen

Ob auch konkrete Geldbeträge genannt werden müssen, lässt dieser Paragraf allerdings offen. Womöglich können Pharmafirmen hier noch nachdrücklicher für Transparenz auftreten; jedenfalls veröffentlicht längst nicht jede gesponserte Selbsthilfeorganisation auf ihrer Homepage, von welcher Firma sie Geld wofür angenommen hat.

Noch mehr Durchblick kann auch bei medizinischen Fortbildungen ermöglicht werden. Das gilt etwa für die Offenbarung von „Interessenkonflikten“ solcher Experten, die regelmäßig Honorare von der Industrie annehmen, etwa für Vorträge, Beratungsdienste oder die Leitung klinischer Studien.

Einen praktischen Weg zeigt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie: Auf ihrem 42. Kongress, der im September in Düsseldorf stattfindet, muss jeder Redner seine „möglichen Interessenkonflikte“ deklarieren – nicht nur gegenüber dem Gastgeber, sondern auch in seinem Vortrag. Entsprechende Angaben sollen auf einer Folie erscheinen, die direkt nach dem Titelbild gezeigt werden muss.

Ähnliche Vorgaben machen auch andere Veranstalter, aber beileibe nicht alle. Fortbildungsinteressierte könnten sich noch besser orientieren, wenn Interessenkonflikte auch in den Tagungsprogrammen vermerkt würden, etwa im Verzeichnis der mitwirkenden Referenten.

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