Türkei-Konferenz der Linksfraktion: Scharfe Worte gegen Erdoğan

Bundestagspräsident Lammert wirft der türkischen Regierung einen Putsch gegen die Verfassung vor. Wagenknecht nennt Erdoğan „Terrorist“.

Ein Mann, Norbert Lammert

Bundestagspräsident Norbert Lammert auf der Türkei-Konferenz der Linksfraktion im Bundestag Foto: Frank Schwarz/Linksfraktion

BERLIN taz | Zum Auftakt des türkischen Verfassungsreferendums in Deutschland hat Bundestagspräsident Norbert Lammert die Führung in Ankara scharf attackiert. Nach einem „offenkundig lange vorbereiteten Drehbuch“ plane Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP-Regierung „die Umwandlung einer zweifellos fragilen, aber demokratischen Ordnung in ein autoritäres System“, sagte Lammert am Montagabend auf einer Konferenz der Linksfraktion im Bundestag.

Lammert warf Erdoğan vor, in der Türkei einen Putsch von oben zu inszenieren. Nachdem der Putschversuch „wildgewordener Militärs“ im Sommer vergangenen Jahres „am bemerkenswerten Widerstand der Menschen in der Türkei gescheitert“ sei, müssten sie jetzt zur Kenntnis nehmen, „dass die von ihnen gewählte Regierung nun gegen die eigene Verfassungsordnung putscht“. Der demokratische Rechtsstaat werde zugunsten „eines autoritären Regimes“ ausgehebelt.

Besonders entsetze ihn dabei „die faktische Selbstauflösung eines türkischen Parlaments, das allerspätestens nach der Verhaftung eigener Mitglieder den Aufstand gegen die eigene Regierung hätte proben und aufführen müssen“, sagte der Christdemokrat unter dem Beifall der rund 400 KonferenzteilnehmerInnen. Falls die Verfassungsreform durchkomme, wäre das „die demonstrative Abwendung von einer europäischen Zivilisation“.

Bei einem Ja beim Referendum würde die Türkei zu einer Ein-Mann-Diktatur, warnte der Journalist Can Dündar. Allerdings sei die Entscheidung völlig offen, die letzten Meinungsumfragen sähen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Deswegen verliere er auch seine Hoffnung nicht. Ein Nein würde bedeuten, „diese Diktatur zu bremsen“. Es könne der Anfang vom Ende der katastrophalen Ära Erdoğans sein. Dündar, der seit dem vergangenen Jahr im deutschen Exil lebt, forderte dazu auf, „solidarisch mit der anderen Türkei“ zu sein, die trotz aller Repression weiter für die Demokratie kämpfe.

Der HDP-Abgeordnete Ertuğrul Kürkçü erinnerte daran, dass in den vergangenen zwei Jahren rund 5.000 Mitglieder der linken prokurdischen Partei inhaftiert worden seien, darunter auch die Parteivorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş. Der 68-jährige Kürkçü rief zu einer „Koalition der Freiheit“ gegen die „neue Art von Faschismus“ auf, die in der Türkei drohe. Das Land befinde sich jetzt an einer „kritischen Wegscheide“.

Bundestagspräsident Lammert (CDU)

„Das türkische Parlament hätte den Aufstand proben und aufführen müssen“

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht bezeichnete Erdoğan als „Terrorpaten“ und „Terroristen“. Zur Begründung zitierte sie einen Satz, den der türkische Präsident vor wenigen Tagen in Ankara gesagt hat: „Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können.“ Das sei ein „Aufruf zum Terrorismus“, sagte Wagenknecht. „Nichts anderes ist das.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt sie vor, zu lange zu dem Treiben Erdoğans geschwiegen zu haben. Mit ihren Reisen in die Türkei – zuletzt im Februar – habe Merkel ihm sogar noch den Rücken gestärkt. Das sei unverantwortlich gewesen: „Da wird man mitschuldig, wenn man das tut.“ Außerdem kritisierte Wagenknecht die Rüstungslieferungen an die Türkei und den „unseligen Flüchtlingspakt“, durch den sich die Bundesregierung abhängig gemacht habe. Sie forderte dazu auf, mehr Druck zu machen für die Freilassung des Welt-Journalisten Deniz Yücel und der vielen anderen politischen Gefangenen in der Türkei.

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