UN werben um Hilfe für Flüchtlinge: Ziegelsteine statt Zeltlager

Die UN wollen 2015 vor allem Nachbarstaaten Syriens unterstützen. Diese haben den Großteil der Flüchtlinge aufgenommen.

Ein Flüchtlingslager in Jordanien, nahe der Grenze zu Syrien. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Aussichten sind düster. „Eine baldige politische Lösung des Konflikts ist illusionär“, sagte die oberste UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos. Am Donnerstag stellte sie auf Einladung der Bundesregierung im Auswärtigen Amt in Berlin ihre Pläne für die Syrien-Hilfe vor.

20 Millionen Menschen sind wegen des Krieges auf Unterstützung angewiesen, zehn Millionen sind auf der Flucht. „Eine unvorstellbare humanitäre Katastrophe“, sagte Amos. Die UN gehen jetzt davon aus, dass die in den Nachbarstaaten untergekommenen Flüchtlinge auf absehbare Zeit nicht zurückkehren können. Deshalb wollen sie ihre Nothilfe ab 2015 zunehmend auf Entwicklungshilfe für die Region umstellen.

Die Lage dort ist extrem angespannt. „Wir können bald nicht mehr so weitermachen wie bisher“, sagte der jordanische Botschafter Mazen Al-Tal. In seinem Land besteht, ähnlich wie im Libanon, mittlerweile ein Viertel der Bevölkerung aus syrischen Flüchtlingen.

Die Folgen wie Inflation, Versorgungsengpässe und Arbeitslosigkeit betreffen zunehmend auch die lokale Bevölkerung. Hinzu kommt: Zu Beginn des fünften Kriegsjahres besucht nur ein Drittel der geflohenen syrischen Kinder eine Schule. Es droht eine komplett unausgebildete Generation heranzuwachsen.

Ausbildung und Investitionen

Gina Casar vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP sprach von einem Paradigmenwechsel der Hilfe: Statt Zeltlager soll es dauerhafte Siedlungen geben, statt Reissäcken auch Ausbildungsprogramme für die Flüchtlinge, Schulungen für Bauern, Investitionen in Agrarprojekte und Wasserleitungen, Ausbau der öffentlichen Verwaltung, neue Krankenhäuser und Schulen, sodass die Flüchtlinge perspektivisch selbst für sich sorgen können.

Von all dem soll auch die lokale Bevölkerung profitieren. „Jeder Dollar, den wir so ausgeben, wird uns in Zukunft ein Vielfaches sparen“, sagte Casar. „Aber wir sprechen hier nicht von Monaten, sondern von Jahren.“

Allein für 2015 sollen die Hilfsprojekte insgesamt 8,4 Milliarden Dollar kosten. „Ich erinnere mich an keinen Bail-out einer Pleitebeank, der dafür zu haben gewesen wäre“, sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres. Und trotzdem kranken die Pläne der UN vor allem daran, dass niemand sie bezahlen will. Die bislang zugesagten Mittel reichen nicht mal für den Winter. „Es ist nicht hinnehmbar, dass das Welternährungsprogramm alle vier Wochen betteln gehen muss“, sagte der deutsche Minister für Entwicklungszusammenarbeit, Gerd Müller. „Kein Verfolgter darf an der ausgestreckten Hand verhungern.“ Das aber könnte in den nächsten Wochen passieren.

100 Millionen aus Deutschland

Seit Längerem intensiviert vor allem Außenminister Frank-Walter Steinmeier sein Engagement in Sachen Syrien. Im Oktober hatte Deutschland eine Syrien-Konferenz abgehalten, danach hatte der Bundestag 100 Millionen Euro zusätzliche Hilfe bereit gestellt. Nun soll die EU nachziehen. Deutschland forderte eine „Sondermilliarde“ für Syrien aus Brüssel.

„Jede Maßnahme, die die Situation der Flüchtlinge verbessert, ist notwendig“, sagte Martin Glasenapp von der Hilfsorganisation medico international. Doch die humanitäre Hilfe könne die politische Krise nicht lösen. „Das können nur die politischen Akteure.“ Er kritisierte, dass diese aber offensichtlich hierzu nicht bereit seien. „Deshalb muss die Krise jetzt humanitär begradigt werden. So aber wird ein verlängerter Ausnahmezustand geschaffen.“

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