US-Kongress über Syrien-Angriff: Spaltung quer durch alle Lager

Syrien bombardieren? Darüber entscheiden in den nächsten zwei Wochen US-Senatoren und -Abgeordnete. Für sie steht viel auf dem Spiel.

Druck von allen Seiten: Abgeordnete Sheila Jackson Lee nach einem Treffen zum Thema Syrien. Bild: dpa

WASHINGTON taz | Für viele Abgeordnete und Senatoren des US-Kongresses ist es ein Moment, der über ihre eigene politische Zukunft entscheiden kann. Wie jeder einzelne von ihnen abstimmt, wenn in der kommenden Woche der Senat und vermutlich eine Woche später das Repräsentantenhaus darüber befinden, ob Präsident Barack Obama dem Militär einen Einsatz in Syrien befehlen darf, wird man für immer nachlesen können.

Sein frühes Nein zum Irakkrieg – und Hillary Clintons Ja – waren wesentlich für die Nominierung Barack Obamas 2008 – daran erinnern sich viele. Wie die Abstimmung ausgehen wird, ist so vollkommen unklar. Denn nicht nur das Land ist in der Frage uneins – auch innerhalb der Parteien sind die Lager gespalten.

Seit Obama vor einer Woche verkündete, erst den Kongress abstimmen zu lassen, arbeitet die Regierung auf Hochtouren daran, eine Mehrheit der Parlamentarier von Notwendigkeit und Sinn einer US-Miltäraktion zu überzeugen. Dass das Assad-Regime die Verantwortung für den Giftgaseinsatz trägt, ist in den Augen der Regierung klar. Gerade hat Außenminister John Kerry im Auswärtigen Ausschuss noch einmal betont, dass die Regierung „über jeden vernünftigen Zweifel erhaben,“ überzeugt ist, dass Assad chemische Waffen eingesetzt hat.

Doch einige Politiker – auch aus den eigenen Reihen – wüssten er gerne genauer. Der Abgeordnete Alan Grayson von den Demokraten etwa bemängelte in einem Interview mit „Democracy Now“, dass der Kongress nur beschränkt Zugang zu den wichtigen Dokumenten habe. Die USA könnten nicht noch einmal „einen Krieg aufgrund fehlerhafter Informationen beginnen“.

Druck von den eigenen Wählern

Es ist für die Partei ein Balanceakt. Ihre Vertreter stehen vor der schwierigen Wahl, entweder ihrem Präsidenten den Rücken zu stärken oder das zu tun, was die Wähler von ihnen erwarten, die gegen den Einsatz sind. Der Abgeordnete Elijah E. Cummings, Demokrat aus Baltimore, der sich selbst noch als unentschlossen bezeichnet, wünscht sich mehr Argumente vom Präsidenten. Seine Wähler jedenfalls seien geschlossen gegen einen Militäreinsatz.

Als er am Mittwoch einen Gemüseladen besucht habe, hätten ihn mehr als ein Dutzend Menschen angesprochen, dass er dagegen stimmen sollte. Nicht einer unterstützte die Militäraktion. In den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute äußern sich seit Wochen zwischen 51 und 70 Prozent der Befragten ablehnend.

Zwar sicherten die Fraktionsführungen beider Parteien Obama ihre Unterstützung zu. Doch der Einfluss des republikanischen Chefs des Repräsentantenhauses John Boehner auf die unterschiedlichen Fraktionen wie etwa die Tea Party gilt als schwach. In den letzten Tagen distanzierten sich viele Republikaner und auch Demokraten von Obamas Vorhaben. Ständig veröffentlichen die US-Medien Grafiken darüber, wo die Parlamentarier stehen.

So haben sich bislang 24 Senatoren klar oder eher gegen einen Einsatz ausgesprochen, darunter fünf Demokraten und 19 Republikaner. Nur 23 Senatoren (15 Demokraten, 8 Republikaner) unterstützen den Militärschlag – und 53 Senatoren sind noch unentschlossen. Im Repräsentantenhaus ist das Bild für Obama noch schwieriger: Von den 435 Abgeordneten wollen bislang nur 24 (16 Demokraten, 8 Republikaner) Obamas Antrag unterstützen, 205 (darunter 54 Demokraten), sind klar oder tendenziell dagegen, 142 sind unentschlossen, von den übrigen ist keine Meinung bekannt.

Die erste Hürde hat Obama genommen. Am Mittwoch stimmte der Ausschuss für Auswärtige Beziehungen im Senat mit einer knappen Mehrheit von 10:7 für die Resolution, die einen begrenzten Militäreinsatz erlaubt. Der Beschluss sieht Luftangriffe gegen militärische Ziele in Syrien für einen Zeitraum von 60 Tagen vor, die um weitere 30 Tage verlängerbar sind. Aber: Auf republikanischer Seite stimmten sowohl Rand Paul aus Kentucky als auch Marco Rubio aus Florida dagegen, zwei voraussichtliche Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2016.

Libertäre: Die Kriege anderer Völker gehen uns nichts an

Unter den Republikanern gilt Rand Paul als striktester Noninterventionist. Der Senator aus Kentucky steht ähnlich wie sein Vater, der frühere Präsidentschaftskandidat Ron Paul, nicht nur für eine erzkonservative Sozialpolitik, sondern auch für US-Isolationismus in der Außenpolitik, wie die meisten der neuen Konservativ-libertären. Ihr Hauptargument: Militäreinsätze nur, wenn unmittelbare US-Interessen auf dem Spiel stehen. Die Kriege und Völkermorde anderer Völker gehen sie grundsätzlich erst einmal nichts an.

Mit seinem Anti-Kriegs-Diskurs hatte schon Ron Paul während der letzten republikanischen Vorwahlen Teile der friedensbewegten Linken für sich begeistern können. Sein Sohn Rand Paul geht sogar so weit, die Syrienabstimmung im Senat mit einer stundenlangen Marathonrede, einem Filibuster, blockieren zu wollen.

Das Dilemma der Demokraten gilt umgekehrt auch für die Republikaner. Zwar wollen auch sie das Land als Großmacht behaupten – aber sollen sie deshalb ausgerechnet Barack Obama in einer Schlüsselfrage einen parlamentarischen Sieg gönnen? John McCain, die lauteste Pro-Interventionsstimme unter den republikanischen Senatoren, hat sich entschieden. Eine Ablehnung wäre „katastrophal“, sagte er vor einer Woche, und ließ in die Resolution gleich auch noch das Ziel hineinschreiben, die Opposition zu unterstützen. Das lehnen in den Umfragen noch mehr US-Amerikaner ab als einen Miltiäreinsatz.

Die Spaltung geht durch alle Lager, alle Schichten. Ausgang: umgewiss.

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