Uefa-Präsident Platini: Der Funktionär als Star

Er ließ sich als Spieler gerne feiern. Und als Uefa-Präsident will er heute noch als Spieler gelten – rotzig und offen. Unangenehme Fragen blockt er aber ab.

Wenn Platini als Kicker spricht, dann menschelt es gewaltig. Bild: dpa

Es gibt einen Traum. Den träumt ein gewisser Mann aus der Schweiz, so sagt er es selbst immer wieder, ganz oft. Sepp Blatter, der Präsident des Internationalen Fußballverbandes, träumt von einer Fußballwelt, die irgendwann einmal nur noch von ehemaligen Fußballern regiert wird. Er glaubt, dass dann endlich alles gutgeheißen wird, was jetzt so stark kritisiert wird.

Deshalb hat Blatter Franz Beckenbauer so geschätzt, als der noch in der Fifa-Exekutive war, und deshalb hat Blatter einst Michel Platini zum Funktionär aufgebaut. Und auch wenn sich die beiden heute nicht immer einig sind, so hat Blatter doch recht behalten. Im Funktionär Platini, im Präsidenten der Europäischen Fußballunion, wird immer noch der Spieler gesehen. Der Funktionär als Star, das ist das Prinzip Platini.

Wenn Michel Platini, heute 57, spricht, dann vergisst er nie zu erwähnen, welch guter Spieler er war. Als er zu Beginn der EM vor die Presse trat, war er es selbst, der daran erinnerte, dass ein gewisser Michel Platini im Jahre 1984 mit neun Treffern für Frankreich eine Europameisterschaft beinahe alleine entschieden hat.

„Kein Spieler hat je mehr Tore bei einer EM geschossen“, sagte er und machte eine Pause, als warte er auf Applaus. Als Spieler war er es gewohnt, dass ihm die Herzen der Fans zufliegen. Er war ein Kreativer, er hat das Spiel schön gemacht. Dafür hat er sich damals feiern lassen und daran erinnert er auch heute noch gerne.

"Arschlöcher"

Über alles andere spricht Platini nicht so offen. Er freut sich, wenn er für seine klaren Worte gegen den Rassismus gelobt wird, und er freut sich, wenn niemand fragt, wie all das niedere Gedankengut aus den Kurven verbannt werden könnte. Die kroatischen Fans, wegen deren Verhalten die Uefa ermitteln muss, hat er „Arschlöcher“ genannt. Wahrscheinlich glaubt er, dass er das darf – als Fußballer.

Wenn Platini als Kicker spricht, dann menschelt es gewaltig. Mit schönen Worten prangert er den weltweiten Handel mit jugendlichen Fußballern an und fordert mehr Chancen für die Meister aus kleinen Verbänden in der Champions League. Und wenn er über die Ausweitung des EM-Turniers auf 24 Mannschaften redet, dann hört sich das an, als spreche der Chef eines Wohlfahrtsverbandes über soziale Teilhabe von Benachteiligten.

Der verhuscht wirkende Spielmacher, der immer mit heruntergerollten Stutzen über den Platz lief und sich selbst dabei ganz verwegen fand, galt mit seinem Sinn für schöne Aktionen in seinen besten Jahren bei Juventus Turin als Romantiker.

Engagement für die Torrichterei

Während andere auf dem Platz schufteten, nahm er sich gerne mal eine Pause und schien über eine neue Idee für einen genialen Pass zu sinnieren. Platini hat es geschafft, dass er auch als Uefa-Präsident so wahrgenommen wird. Sein Engagement für die Torrichterei und gegen den Einsatz von technischen Hilfsmitteln sorgt zwar für Kopfschütteln, wird aber nur als ein menschlicher Makel wahrgenommen: der Funktionär als Romantiker.

Einer wie Sepp Blatter dürfte vor Neid platzen, wenn er sieht, wie Platini in aller Ruhe seine Geschäfte organisieren kann, ohne dabei als korrupt oder mafiös bezeichnet zu werden. Dabei gäbe es gute Gründe, das zu tun.

Als er 2007 in Düsseldorf in einer Kampfabstimmung gegen den langjährigen Amtsinhaber Lennart Johansson zum Uefa-Präsidenten gewählt wurde, da hat er das nur geschafft, weil der millionenschwere ukrainische Verbandschef Hrihorij Surkis ihm die Stimmen aus Osteuropa besorgt hatte.

Ein zypriotischer Funktionär hat einst angeprangert, dass es bei der Vergabe des Turniers nach Polen und die Ukraine Bestechungszahlungen gegeben hat. Darüber hat sich Platini maßlos geärgert und den Funktionär angezeigt. Aufklären wollte er die Vorwürfe nie.

Die WM 2022 in Katar

Und wer weiß, dass einer von Platinis wichtigsten Unterstützern in der Fifa- und Uefa-Exekutive, der zypriotische Fußballverbandschef Marios Lefkaritis, ein stinkreicher Ölmagnat ist, der gerne auch mit dem Oligarchen Surkis seine Deals macht, der wird sich schnell fragen, wie romantisch diese Beziehung wohl ist.

Und ob der Einsatz von Michel Platini für die WM 2022 in Katar wirklich allein im Sinne des Fußballs war, das wird sich fragen, wer erfährt, dass sein Sprössling Laurent als Europabevollmächtigter der Firma Qatar Sports Investment gut von in den Sport fließendem Ölgeld lebt.

Das Verhältnis von Sport und Politik ist für Platini ebenso geklärt wie für Fifa-Chef Blatter. Es gibt einen Deal. Die Politik sorgt dafür, dass die Verbände das große Geschäft – steuerfrei – machen können, dafür halten die Verbände die Klappe, auch wenn es noch so wild zugeht in einem Austragungsland. Platini ist ein wahrhaft gelehriger Schüler des großen Sepp. Viele sehen in ihm schon den nächsten Fifa-Boss. Kein Zweifel: er könnte es. Der Star als Fußballzar.

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