Umgang mit Obdachlosen in Berlin: Menschen mit Rechten und Würde

An der Rummelsburger Bucht sollen Obdachlose vertrieben werden. Dagegen protestierten sie auf dem Linke-Parteitag. Ein Wochenkommentar.

Blick auf den See in der Rummelsburger bucht

Rummelsburger Bucht: Grundstücke am Wasser sind rar und begehrt Foto: dpa

Es war eine mutige Aktion, als Micha, Ingo und die anderen Obdachlosen am vergangenen Sonntag zum Landesparteitag der Linken fuhren, um dort gegen die drohende Räumung ihrer provisorischen Behausungen an der Rummelsburger Bucht zu protestieren.

Es mutete fast schon etwas skurril an, als die Gruppe dort unter dem Beifall der Delegierten das Podium betrat und später ranghohen Politkern der Partei ihre Situation schilderte. „Stadt für alle“, sicherte die Senatorin für Soziales, Elke Breitenbach, ihnen ihre Unterstützung zu, „das meinen wir ernst.“

Der fast feierliche Empfang kam für die Gruppe etwas unerwartet. Denn statt Ge­sprächs­angeboten sind sie eher daran gewöhnt, von einer Freifläche zur nächsten verjagt zu werden. Vor ein paar Tagen noch war ihnen von Ordnungsamts- und Securitymitarbeitern nüchtern mitgeteilt worden, dass sie die Brache zwischen Rummelsburger Bucht und Ostkreuz, auf der Schätzungen zufolge rund 100 obdachlose Menschen wohnen, räumen sollten – wenige Tage vor Weihnachten, Hilfsangebote gab es keine. Und das in Lichtenberg, einem Bezirk, der von der Linken selbst regiert wird, auf einem Gelände, für das eine links geführte Senatsverwaltung verantwortlich ist.

Der feierliche Empfang kam für die Gruppe unerwartet

Das von Aktivist*innen besetzte ehemalige Jugendfreizeitschiff „Freibeuter“, das in unmittelbarer Nähe der Brache ankert, unterstützt deren Bewohner*innen mit warmem Essen und Sachspenden, vor allem aber bietet es ihnen einen Raum, in dem sie ihre Probleme besprechen und sich vernetzten können. Auf der „Freibeuter“ entstand auch die Idee, den Linke-Parteitag zu besuchen.

Und diese Aktion zeigt zwei Dinge ganz eindeutig. Zum einen widerlegt sie Klischees, die gerne herangezogen werden, um die Marginalisierung von Obdachlosen zu rechtfertigen: Man könne mit ihnen nicht reden, sie wollten sich nicht helfen lassen, seien gar freiwillig auf der Straße. Zum anderen zeigt der Besuch auf dem Parteitag, wie wichtig es ist, dass sich Obdachlose eine politische Stimme in dieser Stadt verschaffen: um nicht weiter nur als „Problem“ wahrgenommen zu werden – sondern als Menschen mit Rechten und Würde.

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