Umweltschützer in Russland: Alles Agenten

Russland entledigt sich trickreich unliebsamer Organisationen: Wer sich nicht als Agent bezeichnet, muss zahlen. Wie jetzt AKW-Gegner.

Da war doch mal was: die verlassene Stadt Prypiat, AKW Tschernobyl, Ukraine. Bild: ap

KALININGRAD taz | Die bekannteste russische Anti-AKW-Gruppe hat am Montag eine Niederlage erlitten: Im russischen Kaliningrad verurteilte ein Gericht die Atomkraftgegner von Ecodefense zu einer Geldstrafe von 6.200 Euro. Damit schließen sich die Richter einer Klage des russischen Justizministeriums gegen die Umweltschützer an.

Der Vorwurf der Behörde: Die Anti-AKW-Gruppe habe es versäumt, den Auflagen des neuen Gesetzes zu Nichtregierungsorganisationen (NGO) nachzukommen und sich selbstständig als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen.

„Wir sind keine Agenten. Alle unsere Entscheidungen sind nur von uns selbst getroffen. Wir lehnen es weiterhin ab, das Gesetz zu ausländischen Agenten zu befolgen. Dieses Gesetz ist ein repressives Instrument zur weiteren Einschränkung der Bürgerrechte“, sagte Wladimir Sliwjak, Vorsitzender von Ecodefense, gegenüber der taz. Gleichzeitig kündigte Sliwjak an, dass seine Organisation gegen das Urteil Berufung einlegen werden.

Das Gesetz zu NGOs ist äußerst umstritten: Es verlangt von allen Organisationen, die sich politisch betätigen und Gelder aus dem Ausland erhalten, eine Eintragung in ein Register mit ausländischen Agenten. Die dort gemeldeten Gruppen sind verpflichtet, auf allen Veröffentlichungen darauf hinzuweisen – so müssen Materialien wie Broschüren fortan die Bezeichnung „ausländischer Agent“ tragen.

Baustopp für AKW

Ecodefense hatte nach der Verabschiedung des Gesetzes vor zwei Jahren deutlich gemacht, dass sie sich niemals freiwillig in das Register der „ausländischen Agenten“ eintragen würden. Die Strafe folgte auf dem Fuß: Im Juli 2014 strengte das Justizministerium ein Verfahren gegen Ecodefense an, weil sie es versäumt hatten, sich als Agenten zu registrieren zu lassen, und ließ die Gruppe als ebensolche eintragen.

Aus Sicht der Umweltschützer will das Justizministerium die Gruppe für ihre Aktionen gegen das geplante Atomkraftwerk in Kaliningrad abstrafen. Im Juni vergangenen Jahres hatten die Aktionen von Ecodefense und der Druck der Bevölkerung zu einem Baustopp des Atomkraftwerks geführt.

Auch die Kampagne der AKW-Gegner für einen Beitritt Russlands zur Aarhus-Konvention ist dem Justizministerium offenbar ein Dorn im Auge: Das internationale Abkommen gibt jeder Person Rechte im Umweltschutz. Es schreibt in Umweltangelegenheiten eine Beteiligung der Öffentlichkeit zwingend vor.

Das Urteil gegen die Atomkraftgegner von Ecodefense steht in einer Reihe mit dem Vorgehen der russischen Behörden gegenüber anderen missliebigen NGOs: Nur wenige Tage nachdem die Organisation „Soldatenmütter von St. Petersburg“ über Hunderte in der Ukraine verletzte und zehn dort getötete russische Soldaten berichtet hatte, erklärte das Justizministerium auch diese zu ausländischen Agenten

Urteile gegen NGOS häufen sich

Kritiker sehen einen Eingriff von höherer Stelle: Offensichtlich hätten die Rechtsschutzorgane einen Hinweis „von oben“ bekommen, was mit den NGOs zu tun sei, sagt der russische Menschenrechtler Lew Ponomarjow. „Und in Erfüllung ihrer Aufgabe haben sie einen großen Erfindungsreichtum an den Tag gelegt, Vorwände zu finden, um uns von der ausländischen Finanzierung abzuschneiden.“

Nach Informationen der Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta häufen sich die Gerichtsurteile gegen NGOs, die zuvor zu „ausländischen Agenten“ erklärt worden waren. In diesen Urteilen werden die Gruppen mit kommerziellen Unternehmen gleichgestellt. In der Folge wird deren Befreiung von der Steuerpflicht rückwirkend aufgehoben. Viele Organisationen mussten angesichts der plötzlich aufgetretenen Steuerlast aufgeben.

Inzwischen häufen sich in der russischen Duma die Rufe nach einer weiteren Verschärfung des NGO-Gesetzes. Neuesten Überlegungen zufolge soll es den Organisationen verboten werden, mit Geldern aus dem Ausland Gehälter zu bezahlen.

Durch das angestrebte Verbot ließe sich erkennen, wer sich nur der Sache wegen und nicht zum persönlichen Vorteil für die Vereinsziele einsetze, begründete dies der Duma-Abgeordnete Jewgenij Fjodorow von der Partei „Einiges Russland“.

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