Unterwegs in Berlin: Deutsch ist, wer deutsch sein will

Wie ist die Stimmung in Berlin gut ein halbes Jahr vor den Bundestagswahlen? taz.meinland hat in Berlin nachgefragt.

Sven, 32, Feuerwehrmann (links im Bild) mit taz.meinland-Redakteur Samba Gueye Bild: Burhan Yassin

Unsere taz.meinland-Redakteure Samba Gueye und Burhan Yassin waren mal wieder in Berlin unterwegs und fragten Passanten, was ihnen ihr Land bedeutet. Hier lest ihr die Antworten.

taz: Was bedeutet für dich der Begriff „meinland“?

Sven: meinland? Das ist schwierig. meinland... Also mein Land ist ja Deutschland. Ich bin sehr froh, dass ich hier lebe, weil wir hier die Demokratie haben. Und dadurch Multikulti – vor allem in Berlin, wo ich wohne. Das macht das Land abwechslungsreich und interessant. Das mach meinland aus, sage ich jetzt mal.

Was fühlst du, wenn du außerhalb von Deutschland die deutsche Nationalhymne hörst oder die deutsche Flagge siehst?

Na, dieser Nationalstolz, den haben die Deutschen leider nicht mehr so, auf Grund geschichtlicher Ereignisse, die in meinen Augen eigentlich schon verjährt sind. Ich habe damit nichts mehr zu tun. Deswegen ist es ärgerlich, aber ich persönlich habe da jetzt auch keine gefühlsmäßige Regung, so dass ich jetzt sagen würde ich bin stolz, dass das [die Hymne, Anm. der Redaktion] jetzt gerade gespielt wird. Also ich bin zwar stolz auf meinland und singe die Nationalhymne in gewissen Bereichen auch gerne mit, kann sie auch, aber gefühlstechnisch habe ich da nichts.

Woran erkennt man einen echten Deutschen?

(Aus dem Hintergrund: „Lederhosen und Weißwurst!“) Auf gar keinen Fall! Boah, ich glaube, das ist heutzutage gar nicht mehr zu beschreiben. Deutsch ist der, der deutsch sein möchte. Wer hier leben möchte ist für mich Deutscher. Also jetzt mal von der Staatsbürgerschaft abgesehen, ist für mich jemand deutsch, der sich deutsch fühlt und Deutscher sein möchte. Also das hat rein gar nichts mehr mit Optik zu tun. Die Zeiten sind ja, Gott sei Dank, vorbei.

Maria, 28 und Iven, 30, beide Zahnärzte Bild: Burhan Yassin

taz: Was würde euch fehlen, wenn ihr in einem nicht-demokratischen Land leben würdet?

Maria: Das Entscheidungsrecht und die Freiheit. Zum Beispiel Pressefreiheit würde mir fehlen. Politisch seine Meinung sagen zu dürfen. Ich glaube, es würde mir in jedem Bereich etwas fehlen.

Ab der wievielten Generation ist ein Nachkomme von Migranten ein echter Deutscher?

Iven: Also, wenn man zum Beispiel überlegt auszuwandern, denkt man ja oft, dass es schwierig sein kann, akzeptiert zu werden. Da fragt man sich ja das gleiche aus einer anderen Perspektive. Wann wird man von den anderen akzeptiert? Weiß ich gar nicht so ... Wahrscheinlich, wenn man die Sprache spricht und Verhaltensmuster annimmt, vielleicht?

Madeleine und Andreas, beide 53, Deutsch-Amerikaner Bild: Burhan Yassin

taz: Was muss in eurem Land noch verbessert werden, um die Demokratie zu stärken?

Andreas: Also in den USA, anderer Präsident ... und in Deutschland? Weiß ich nicht genug darüber.

Die Bundestagswahlen stehen an. Seid ihr mit der aktuellen Regierung zufrieden?

Andreas: Ich finde Angela hat einen ziemlich guten Job gemacht. Auch wenn ich im Großen und Ganzen mit ihrer Partei nicht unbedingt übereinstimme, ich glaube als Kandidatin war sie relativ gut. Gerade vor dem, was sie mit Hinblick auf die Flüchtlinge gemacht hat, habe ich großen Respekt. Dass sie da einfach klar Stellung bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, was andere Leute möglicherweise sagen mögen.

Habt ihr Wünsche und Anregungen an die Politik?

Madeleine: Also, dieses Türkei-Ding ist eine Katastrophe. Ich denke nicht, dass die Deutschen sich außenpolitisch härter positionieren sollten, Ihr wisst schon, sie haben eine ziemlich schwierige Geschichte, was das angeht. Stattdessen sollten sie ein aktives Mitglied in der NATO sein und wenn nötig Sicherheitskräfte bereitstellen. (Aus dem Englischen von Jann-Luca Zinser)

Die Interviews führten SAMBA GUEYE und BURHAN YASSIN.