Vertragsentwurf der Klimakonferenz: 29 Seiten, 48 Stunden

Konferenzpräsident Fabius legt den entscheidenden Vertragsentwurf vor. Jetzt zeigt sich, wie wirksam hinter den Kulissen gearbeitet wurde.

Bunte Plakate und Transparente fordern Klimagerechtigkeit

Der Countdown läuft und die Forderungen werden bunter. Foto: ap

PARIS taz | Bei der Klimakonferenz in Paris haben die entscheidenden letzten Tage begonnen. Und es gibt sogar einen Text, über den sich nun die Delegierten von 195 Staaten die Köpfe heiß reden können. Am späten Mittwochnachmittag legte der Präsident der COP21, der französische Außenminister Laurent Fabius, sichtlich stolz die 29 eng bedruckten Seiten vor, die die Grundlage für das „Paris Agreement“ sein sollen.

Noch ist nichts entschieden. Zwar wurde „die Zahl der eckigen Klammern“, also der umstrittenen Begriffe, „um drei Viertel verringert“, wie Fabius sagte. Und es gibt große Fortschritte, etwa bei den Regeln zur Anpassung an den Klimawandel, beim Technologietransfer und der Transparenz. „Aber es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns“, sagte Fabius. In allen Knackpunkten wie Finanzen, Ambitionen beim Klimaschutz und den unterschiedlichen Pflichten der Länder liegen die Positionen noch immer weit auseinander

Ob die Erderwärmung auf 1,5 oder auf 2 Grad begrenzt werden soll, lässt der Entwurf noch offen. Erste Reaktionen von Umweltverbänden fielen unterschiedlich aus. Der Text enthalte „die Zutaten für ein anspruchsvolles Abkommen“, sagte Tasneem Essop vom WWF. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger sprach hingegen von einem „Sammelsurium allgemeiner Absichtserklärungen angereichert mit schwachen Klimaschutzplänen“. Am Mittwochabend will Fabuis das Plenum einberufen.

Am Abend will er das Plenum einberufen. Dann kann die Konferenz das Papier als Grundlage akzeptieren oder sich in endlosen Debatten selbst lähmen. Passiert das, wäre ein Paris-Abkommen nur noch zu bekommen, wenn sich der allerkleinste gemeinsame Nenner durchsetzt.

Bisher jedenfalls lief die Konferenz überraschend krawallfrei ab. „Die beste COP in der Geschichte“, sagte Jennifer Morgan, Klimaexpertin des World Resource Institute. Aber auch das ist keine Garantie. Jetzt kommt es auf die Taktik der verschiedenen Lager an.

„Wir sind gute Weltbürger“

Die BASIC-Staaten jedenfalls schließen die Reihen. Am Dienstag betonten die Verhandler von China, Indien, Brasilien und Südafrika, die auch immer im Namen von 134 Entwicklungsländern, der sogenannten G 77, sprechen: „Wir sind gute Weltbürger und tun das Beste, um den Erfolg der Konferenz sicherzustellen.“ Ihr Motto: sie seien flexibel, aber die Industrieländer täten zu wenig. Es fehle an Geld und Zusagen für die Reduktion bei Emissionen. Vor allem war die Nachricht der Südfront: „Wir stehen zusammen!“

Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.

Genau das versuchten die Europäer eine halbe Stunde später zu knacken. Vor dem EU-Pavillon drängelten sich Dutzende von Journalisten um EU-Klimakommissar Miguel Cañete, die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. An ihrer Seite: Delegierte aus der Karibik, Afrika und dem Pazifik. Mit insgesamt 79 Staaten, die als AKP-Länder ohnehin den Europäern seit Jahrzehnten durch Wirtschafts- und Entwicklungshilfe verbunden sind, hatten sich die Europäer heimlich zusammengetan, um ein starkes Klimaabkommen zu fordern.

Der Clou: Alle diese Länder sind eigentlich Mitglieder der G 77. „Wir treiben einen Keil zwischen sie“, sagte ein Diplomat aus der EU. Das kostete ein Jahr Arbeit und eine Menge Geld. Allein Deutschland legte noch einmal 50 Millionen Euro für den Anpassungsfonds auf den Tisch. „Das hat schon sehr, sehr große Aufmerksamkeit gebracht“, resümierte Hendricks. Schon 2011 bei der COP in Durban war die EU damit erfolgreich gewesen. In einer ähnlich angeblich spontanen Aktion hatte die EU damals in der Tiefgarage des Konferenzzentrums die kleinen verwundbaren Staaten auf seine Seite gezogen. Der Erfolg damals: ein Beschluss, 2015 ein neues allgemeines Abkommen zu schließen – deshalb jetzt diese Konferenz in Paris.

Am Mittwoch ging es dann weiter mit dem Tauziehen und Armdrücken hinter den Kulissen: US-Außenminister John Kerry erschien auf der Konferenz, um die entscheidenden Tage selbst zu verhandeln. Im Gepäck hatte er nicht nur eine Verdopplung der Hilfen für Anpassung an den Klimawandel auf 800 Millionen Dollar jährlich, sondern auch eine neue politische Allianz: „Heute verkünde ich hier, dass die USA der High Ambition Coalition beitreten“, rief er vor handverlesenem Publikum. Gemeint ist damit eine Koalition aus den USA, einigen EU-Staaten und diversen Entwicklungsländern. Gegründet wurde diese Koalition im Embryonalstadium direkt am Mittwochmorgen von Hendricks und dem Außenminister der Marshall-Inseln, Tony de Brum. Auch hier ist die Idee: möglichst viele und verschiedene Staaten aus allen Weltregionen zusammenzubekommen, die sich für echten Klimaschutz einsetzen wollen.

Die nächsten 48 Stunden

Ob alle diese Koalitionen halten oder doch noch unter politischem und ökonomischem Druck von China oder Saudi-Arabien einknicken, werden die nächsten 48 Stunden zeigen. Konferenzpräsident Fabius hat klug vorgearbeitet und mögliche Quertreiber in die Arbeit am Text eingebunden: Polen und Ägypten etwa leiten die Arbeitsgruppe zu Entschädigungen für entgangene Gewinne aus fossilen Brennstoffen, Venezuela soll an der Präambel mitschreiben.

Und wenn es eng wird, kann Fabius sogar auf Hilfe von oben hoffen: Am Vortag hatte der Vertreter des Vatikan erklärt, der Kirchenstaat wolle bald als 196. Staat die Klimarahmenkonvention unterzeichnen. Den COPs jedenfalls könnte das eine oder andere Wunder nur guttun.

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