Verurteilt wegen Pestizid-Einsatzes: Die Giftspritzer von Córdoba

Erstmals hat ein lateinamerikanisches Gericht Strafen wegen des Einsatzes von Pestiziden verhängt. Vielen Betroffenen ist das Urteil viel zu milde – ihre Kinder starben an Krebs.

In vielen Ländern der Welt wird das Insektizid Endosulfan benutzt. Hier eine Protestaktion auf den Philippinen. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz | Im Prozess um den Einsatz von Agrarchemikalien in unmittelbarer Nähe eines Wohngebiets hat das Strafgericht der argentinischen Stadt Córdoba zwei Angeklagte zu jeweils drei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Wie in Argentinien üblich, wird die Urteilsbegründung erst in einigen Wochen veröffentlicht.

Verurteilt wurden ein Sojaproduzent sowie der Eigentümer eines Kleinflugzeugs. Die drei Richter sahen es als erwiesen an, dass sie bei der wiederholten Besprühung der Felder aus der Luft vorsätzlich gegen Bestimmungen für den Umgang mit gefährlichen Stoffen verstoßen haben.

Bei den Sprüheinsätzen wurden das Herbizid Glyphosat und das Insektizid Endosulfan benutzt. Die Verteidigung hatte keine hinreichenden Beweise für eine Verurteilung gesehen: Der Einsatz von Glyphosat sei von den Behörden freigegeben, die Anwendung von Endosulfan erst seit 2011 verboten.

Rund zwölf Millionen der etwa 40 Millionen Argentinier leben in Orten, die von Soja- und Maisfeldern umgeben sind. Der Einsatz von Agrarchemikalien ist in Argentinien von 30 Millionen Liter im Jahr 1990 auf 370 Millionen Liter im Jahr 2011 gestiegen. Davon sind knapp 70 Prozent Glyphosat.

Gifteinsätze als Straftat anerkannt

Vor dem Gerichtsgebäude hatten Hunderte schon seit Tagen mit einer Mahnwache auf die Entscheidung gewartet. Der Kläger Medardo Avila sprach von einem „historischen Urteil“. Es sei wichtig, dass das Gericht die Gifteinsätze als Straftat anerkannt hat. „Das ist ab heute für ganz Argentinien gültig.“ Doch: „Wer gibt uns unsere an Krebs gestorbenen Kinder zurück?“, fragte eine Mutter neben ihm.

Das Urteil ist der erste dieser Art in Lateinamerika – es dürfte Signalwirkung weit über Argentinien hinaus haben. Auf dem Kontinent wird meist noch ohne große Bedenken mit Pestiziden gearbeitet. Dass es zustande kam, ist vor allem der Hartnäckigkeit einer Gruppe von Müttern zu verdanken. Untersuchungen zufolge liegt die Krebsrate in ihrem Ortsteil Ituzaingó, der von Sojafeldern umgeben ist, deutlich über dem Landesdurchschnitt.

Die Mütter zeigten sich enttäuscht. Sie fühle nur „Ohnmacht, reine Ohnmacht“, sagte die betroffene Maria Godoy. „Wir wollten, dass sie ins Gefängnis kommen. Jetzt gehen sie aus dem Gerichtssaal und müssen nur ein paar Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten.“

Widerwillige Justiz

Immerhin: Der Prozess hätte fast gar nicht stattgefunden. Nur gegen Widerstände in der Justiz erreichte die Staatsanwaltschaft die Zusammenlegung von zwei Anzeigen und die Ansetzung des Verfahrens. Bereits 2004 hatte eine Mutter die Pestizidsünder angezeigt.

Argentinien ist im vergangenen Jahrzehnt zum weltweit drittgrößten Sojabohnenproduzenten und -exporteur aufgestiegen. Die Soja-Anbaufläche stieg von 6,7 Millionen 1996 auf 19 Millionen Hektar 2010 – etwa viermal die Fläche der Niederlande.

Der Erfolg der Agrarwirtschaft beruht auf der Direktaussaat, bei der genetisch verändertes Saatgut unmittelbar in den Boden gepflanzt wird, ohne die Ackerfläche umzugraben. Die Anbaufläche muss jedoch bis zu dreimal pro Wachstumszyklus von Unkraut befreit werden. Dafür wird das Herbizid Glyphosat eingesetzt, gegen das nur das genetisch veränderte Soja-, Mais-, und Weizensaatgut resistent ist.

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