Völkermord in Ruanda: Genugtuung für die Überlebenden

Neue Erkenntnisse zum Auftakt des Völkermordes per Präsidentenmord im April 1994 lassen Opferverbände hoffen. Darauf, dass das Leugnen ein Ende hat.

Agathe Habyarimana, die Witwe des getöteten Präsidenten, in Paris. Bild: dapd

KAMPALA taz | Die ruandischen Reaktionen auf die neuen französischen Ermittlungsergebnisse in der Frage, wer 1994 das Flugzeug des damaligen ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana abschoss und damit den Völkermord an den Tutsi einläutete, sind so gespalten wie das Land.

Ruandas Regierung begrüßte den Befund, wonach die Rakete, die die Präsidentenmaschine vom Himmel holte, von der Militärbaracke Kanombe aus abgefeuert worden war und somit wohl von Hutu-Extremisten in der Armee - und nicht, wie in Frankreich bisher behauptet, von Tutsi-Rebellen auf dem Hügel Masaka.

"Mit dieser wissenschaftlich gewonnenen Wahrheit haben die Richter Trevidic und Poux die Tür vor einer 17 Jahre andauernden Kampagne zugeschlagen, die den Genozid leugnet und die Opfer als Schuldige betrachtet", sagte Außenministerin Louise Mushikiwabo.

Janvier Forongo, Generalsekretär des Genozid-Opferverbandes Ibuka, zeigt sich ebenfalls erleichtert. "Dies zieht einen Schlussstrich unter die Schuldzuweisungen von verschiedenen Seiten", sagt er und verlangt "Gerechtigkeit und rechtmäßige Entschädigung, jetzt, da die Wahrheit ans Licht kommt".

Richter zweifeln an Masterplan für Völkermord

Der französische Befund deckt sich mit einem ruandischen Expertenbericht von 2009, der Armeeoberst Theoneste Bagosora für den Mord verantwortlich machte. Bagosora galt 1994 als Hardliner, der Verhandlungen mit den damaligen Tutsi-Rebellen der RPF (Ruandische Patriotische Front) des heutigen Präsidenten Paul Kagame strikt ablehnte.

In jenen Tagen im April 1994 hatte Bagosora die Kommandohoheit, da Ruandas Verteidigungsminister außer Landes war. Er wurde 2008 nach über zehnjähriger Verhandlung vom UN-Ruanda-Tribunal (ICTR) im tansanischen Arusha wegen Völkermordes verurteilt.

Doch vor wenigen Wochen senkten die Richter in Arusha im Revisionsverfahren Bagosoras Haftstrafe von "lebenslänglich" auf 35 Jahre. Bereits 2008 hatte das Tribunal gesagt, es gebe nicht genug Beweise, Bagosora als Hauptplaner des Genozids zu verurteilen. Die Richter bezweifelten sogar, dass es in Ruanda überhaupt einen Masterplan gegeben habe, die Tutsi-Minderheit systematisch auszulöschen.

Kein neues Verfahren

Die französischen Befunde könnten nun dazu beitragen, diese Zweifel zu widerlegen. Ruandas Parlamentarier fordern daher, das Bagosora-Verfahren neu aufzurollen.

"Anstatt objektive Ermittlungen durchzuführen, wie jetzt die Franzosen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, neigen die Richter in Arusha dazu, ihn als unschuldig zu erklären und zu beweisen, dass er nicht in die Planung des Völkermordes verwickelt war", kritisiert Evariste Kalisa, Vizesprecher des ruandischen Parlaments. Doch das Verfahren neu aufzurollen ist unmöglich; das Tribunal darf lediglich die bereits laufenden Verfahren abschließen.

Ruandas Opposition erkennt die französischen Befunde nicht an, sondern fordert neue Ermittlungen. "Das ist eine gute vorbereitete Medienkampagne, um die nationale und internationale Meinung zu beeinflussen und die Version des Diktators aufzupolieren", sagt Theogene Rudasingwa, Koordinator des Exilbündnisses RNC (Ruandischer Nationalkongress).

Rudasingwa war einst RPF-Generalsekretär, überwarf sich 2004 mit Kagame und lebt nun in den USA. Er gilt heute als Hauptvertreter der Anschuldigung, Kagame selbst habe das Flugzeug abschießen lassen. Er behauptet, Kagame hätte das ihm gegenüber selbst zugegeben.

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