Volksbegehren gegen G8: Turbulenzen um das Turbo-Abi

G8-Gegner sammeln genügend Unterschriften für ein Volksbegehren zum neunjährigen Gymnasium. Grüne fordern Entzerrung des Gymnasialunterrichts.

Nach Sicht der Initiative "G9-Jetzt-HH" sollten neun Jahre Gymnasium hinter diesen Prüflingen liegen. Bild: dpa

Der nächste Hamburger Volksentscheid rückt näher. Nach Informationen des NDR hat die Elterninitiative „G9-Jetzt-HH“ die erforderlichen 10.000 Unterschriften für eine Volksinitiative zur Wiedereinführung des Abiturs nach neun Jahren an Gymnasien gesammelt. Ende November hat sie 16.730 Unterschriften der Senatskanzlei übergeben, die anschließend geprüft wurden.

In Hamburg gibt es derzeit 62 Gymnasien und 57 Stadtteilschulen. Beide Schulformen führen zum Abitur, das Gymnasium in acht, die Stadtteilschule in neun Jahren.

Im aktuellen Schuljahr wurden 6.474 Fünftklässler an den Hamburger Gymnasien eingeschult. An den Stadtteilschulen sind es 5.715. Ab der sechsten Klasse dreht sich das Verhältnis aufgrund von Abschulungen um.

Die Stadtteilschulen mit den höchsten Anmeldezahlen sind die Heinrich-Hertz-Schule (Winterhude) mit 255 Schülern sowie die Max-Brauer-Schule (Altona) und die Julius-Leber-Schule (Schnelsen) mit jeweils 192 Schülern.

Bei den Gymnasien liegen die Standorte Ohmoor (Niendorf) mit 178, Grootmoor (Bramfeld) mit 161 und Matthias Claudius (Wandsbek) mit 156 Anmeldungen vorn.

Aufgrund dieses Sammelerfolgs darf die Initiative vor dem Schulausschuss ihre Argumente gegen das „Turbo-Abitur“ nach acht Jahren vorstellen – nach Willen der SPD am 4. Februar. Übernimmt die Bürgerschaft ihre Forderungen nicht innerhalb von vier Monaten, kann „G9-Jetzt“ ein Volksbegehren einleiten.

Dafür muss die Initiative binnen dreier Wochen 63.000 gültige Unterschriften sammeln. Gelingt ihr dies, käme es nach der Bürgerschaftswahl 2015 zum Volksentscheid über einen acht- oder neunjährigen gymnasialen Weg zum Abi – vorausgesetzt, der Senat lenkt zuvor nicht noch ein.

Danach sieht es derzeit nicht aus: Schulsenator Ties Rabe (SPD) wird nicht müde, davor zu warnen, schon wieder Änderungen im Schulsystem vorzunehmen. Sein zentrales Argument, das von der Opposition geteilt wird: Jugendliche hätten die Möglichkeit, an Stadtteilschulen die Hochschulreife nach neun Jahren zu erwerben. Bundesländer wie Schleswig-Holstein haben hingegen die Wahlmöglichkeit zwischen dem Abitur nach 13 und nach zwölf Schuljahren eingeführt.

Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen heizte die ohnehin aufgeheizte Debatte Anfang der Woche an, indem er in einem dpa-Interview die G9-Befürworter pauschal verunglimpfte: „Das ist eine Klage von Eltern aus der Mittel- oder Oberschicht, die ihre Kinder nachmittags Tennis spielen lassen wollen.“ Prompt empörte sich die „G9-Jetzt-HH“-Initiatorin Mareile Kirsch über die klassenkämpferische Parole des Uni-Präsidenten: „Herrn Lenzen mangelt es an Respekt. Die berechtigten Sorgen der Eltern derart zu verhöhnen, ist hochnäsig.“

Die Grünen hingegen springen Lenzen bei, der statt eines zusätzlichen Schuljahrs ein ausgedehntes Studienkolleg für Neustudenten an den Hochschulen fordert, in dem sie auf die Anforderungen des Studienbetriebs vorbereitet würden. Es sei gut, dass Lenzen „das Problem einer zunehmenden Heterogenität der Erstsemester anspricht“, betont etwa Eva Gümbel, die Vize-Fraktionschefin der Bürgerschafts-Grünen.

Ihre Fraktion bringt am heutigen Mittwoch einen Antrag in die Bürgerschaft ein, das achtjährige Gymnasium nicht abzuschaffen, sondern „neu zu gestalten“, um die „SchülerInnen zu entlasten“. Dazu bräuchte es mehr „echte“ Ganztagsgymnasien, in denen auch nachmittags unterrichtet werde, Hausaufgaben aber abgeschafft seien.

Die Entscheidung, Ganztagsschule zu werden, solle die Schulkonferenz treffen. Zudem, so fordern die Grünen, müssten zwei Klausuren pro Woche und 34 Wochenstunden das Maximum in allen Klassen sein. „Die Lernenden an den Gymnasien brauchen eine spürbare Entlastung“, begründet die schulpolitische Sprecherin, Stefanie von Berg, den Vorstoß. Allerdings sei „diese auch im Rahmen von G8 möglich“. Die SPD will den Antrag in den Schulausschuss überweisen.

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