Volksentscheid abgewendet: Hamburg wird nicht länger verkohlt

Die Stadt und die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ haben sich auf den Kohleausstieg bis 2030 geeinigt. Vattenfalls Moorburg ist davon nicht betroffen.

Demonstranten halten ein Plakat mit der Aufschrift: Kohlekraftwerk Wedel abschalten! Erneuerbare Wärme jetzt!

2015 wurde noch dafür protestiert, jetzt soll das Kraftwerk in Wedel stillgelegt werden Foto: dpa

HAMBURG taz | Ein Volksentscheid über den Ausstieg Hamburgs aus der Kohleverbrennung wird wahrscheinlich überflüssig. Am Wochenende einigten sich die Spitzen der rot-grünen Koalitionsfraktionen mit der Volksinitiative „Tschüss Kohle“ auf eine gemeinsame Linie. Sollten am Montagabend noch die beiden Bürgerschaftsfraktionen die Vereinbarung billigen, woran es keine Zweifel gab, würde die Übereinkunft gültig, sobald das Landesparlament einen entsprechenden förmlichen Beschluss fasst. Das wäre bis zu letzten Sitzung vor der Sommerpause am 19. Juni möglich.

Nach der Vereinbarung soll der Kohleausstieg bei der Fernwärmeproduktion bis spätestens 2030 erfolgen; ursprünglich hatte die Volksinitiative 2025 gefordert. Das aber ist technisch nicht umsetzbar, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) vor einem Monat, als er verkündete, die Stadt werde die Fernwärmegesellschaft des Energiekonzerns Vattenfall zu 100 Prozent rekommunalisieren. Kerstan hatte die Volks­initiative auf einer Landesmitgliederversammlung der Grünen Ende März vorigen Jahres öffentlichkeitswirksam selbst unterschrieben.

Mit der Hoheit über die Fernwärmeversorgung könne die Stadt den Ausstieg aus der Kohle und den Umbau zu einer ökologischen Wärmeversorgung organisieren, glaubt Kerstan. „Unmittelbar steht jetzt die Ablösung des Kraftwerks Wedel an.“ Das rund 60 Jahre alte Kohlekraftwerk versorgt rund 120.000 Haushalte in Hamburgs Westen mit Wärme – aus Steinkohle.

Kerstan will es möglichst rasch stilllegen. „Unser Ziel ist immer noch die Heizperiode 2023.“ Dann soll ein Mix aus der Nutzung industrieller Abwärme und Müllverbrennung sowie ein neues Gaskraftwerk und ein neuartiger Tiefen-Wärmespeicher auf der Dradenau im Hafen Ersatz liefern und die „Wärmewende“ einleiten. Das Kohlekraftwerk Tiefstack soll „zwischen 2025 und 2030 auf Erdgas umgerüstet werden“, so Kerstan. „Spätestens 2030 wird die Hamburger Wärmeversorgung kohlefrei sein“, verspricht er.

Die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ ist ein Bündnis von 13 Vereinen und Organisationen. Sie wurde am 21. Februar 2018 beim Senat angemeldet.

Sie will gesetzlich den Ausstieg aus der Erzeugung von Fernwärme durch Kohle bis 2025 erreichen; ab 2030 soll auch Strom kohlefrei erzeugt werden.

Mehr als 22.000 Unterschriften hatte die Initiative im Juni 2018 vorgelegt – mehr als genug, um die Bürgerschaft zum Verhandeln zu zwingen.

Auf dieses Datum hat sich nun auch nach sechsmonatigen Verhandlungen die Volksinitiative eingelassen. Für eine Stellungnahme war die Initiative am Montag nicht zu erreichen. Die SprecherInnen von SPD und Grünen wollten sich vor der Sitzung der Fraktionen nicht äußern. Vorgestellt werden soll die Vereinbarung nach Zustimmung der Abgeordneten am Dienstag.

Vor zwei Wochen hatten sich Rot-Grün und die Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ des Naturschutzbundes (Nabu) auf einen „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ verständigt. Daraufhin hatte der Nabu seine Volksinitiative zurückgezogen.

Nicht betroffen von der Vereinbarung ist das privatwirtschaftliche Kohlekraftwerk Moorburg des Energiemultis Vattenfall. Aber das produziert ausschließlich Strom, der Anschluss des Meilers an das Wärmenetz ist nicht vorgesehen, versicherte Kerstan im April. Hinter vorgehaltener Hand indes heißt es im Rathaus, der schwarze Raucher am Köhlbrand werde in wenigen Jahren wegen mangelnder Rentabilität vermutlich ohnehin stillgelegt. „Die Sache“, so ein Insider, „erledigt sich von alleine.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.