Vor EU-USA-Gipfel in Belgien: Obama watscht Putin ab

Nach dem G8-Aus für Russland wollen jetzt auch EU und USA bei ihrem Gipfel ein Warnsignal an Moskau schicken. Ein Ausraster Timoschenkos sorgt weiter für Aufregung.

Demonstration der Macht, auch auf der Straße: Obamas Autokorso in Brüssel. Bild: reuters

KIEW/ MOSKAU dpa | US-Präsident Barack Obama und die Spitzen der EU wollen bei ihrem Gipfel am Mittwoch in Brüssel Geschlossenheit in der Ukraine-Krise zeigen. Washington und die EU hatten Russland bereits mit Sanktionen für die Annexion der Krim bestraft, weil sie diesen Schritt Moskaus für völkerrechtswidrig halten. Bei ihrem Gipfel wollen Obama und EU-Spitzenvertreter am Mittwoch signalisieren, dass die transatlantische Zusammenarbeit in der Ukraine-Krise von entscheidender Bedeutung ist, wie Diplomaten vor dem Treffen sagten.

Schon vor diesem Gipfel hatte Obama die Entschlossenheit der USA und Europas zu Wirtschaftssanktionen gegen Russland hervorgehoben. „Sollte Russland noch weiter gehen, dann wären solche Sanktionen angemessen", sagte er am Dienstag beim Atomgipfel in Den Haag. Zudem bekräftigte er die Beistandsgarantie der Nato für die Bündnismitglieder in unmittelbarer Nähe zu Russland.

Die Krim-Krise hatte den Atomgipfel in Den Haag überschattet. In der niederländischen Stadt sagten die sieben führenden Industrienationen (G7) etwa den G8-Gipfel in Russland ab. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte die Bereitschaft Russlands, weiter mit dem Westen zusammenzuarbeiten. „Wir sind interessiert an diesen Kontakten“, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte wegen der Krim-Krise vor einer Spaltung Europas. „Wir müssen zurück zu einem vernünftigen Miteinander. Da ist jetzt Moskau am Zug“, sagte er der Zeitung Bild. Solange Moskau seinen Kurs nicht ändere, könne nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden. „Wir bleiben an vernünftigen Beziehungen zu Russland interessiert. Es darf keine neue Spaltung Europas geben“, sagte Steinmeier.

Timoschenko etwas unbesonnen

Die Ukraine sucht in der Krim-Krise die Unterstützung der UN-Vollversammlung. Das Land legte dem Gremium eine Resolution vor, die dazu aufruft, das Ergebnis des Referendums auf der Schwarzmeer- Halbinsel nicht anzuerkennen. Der Entwurf appelliert an die internationale Gemeinschaft, keine Veränderung der ukrainischen Grenzen anzuerkennen und eine diplomatische Lösung der Krise zu finden. Russland wird in dem Papier in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Die Vollversammlung wird voraussichtlich am Donnerstag über das Papier abstimmen.

Inmitten des Krim-Konflikts sorgt ein offenbar abgehörtes Telefonat für eine weitere Belastung der Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland. In einem beim Internet-Videoportal Youtube veröffentlichten Mitschnitt stieß die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko Todesdrohungen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin aus. Die Politikerin bestätigte beim Kurznachrichtendienst Twitter die Echtheit von Teilen des Mitschnitts, Passagen wurden nach ihrer Aussage aber verändert.

Die Äußerungen Timoschenkos wurden vom Russland-Berichterstatter der Unions-Bundestagsfraktion, Karl-Georg Wellmann (CDU), scharf kritisiert. Zugleich äußerte Wellmann die Hoffnung, dass Timoschenko im Fall einer Präsidentschaftskandidatur die Wahl am 25. Mai nicht für sich entscheiden wird. „Die Ukraine braucht eine Staatsführung, die besonnen das Land in die europäische Normalität führt“, sagte Wellmann dem Handelsblatt Online. Gute Beziehungen zu allen Nachbarn seien wichtig. „Solche Formulierungen entsprechen nicht europäischen Standards und sind nicht geeignet, das Vertrauen in Richtung EU und Russlands aufzubauen.“

Timoschenkos Kandidatur bei der Präsidentenwahl am 25. Mai gilt als wahrscheinlich. Kritiker schlossen nicht aus, dass der Mitschnitt ein Teil ihrer Wahlkampagne ist, um Sympathiepunkte im antirussisch geprägten Westen des Landes zu sammeln.

„Keiner will einen dritten Weltkrieg“

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk will sein Land im Fall einer russischen Militärintervention am südöstlichen Rand der Ukraine mit allen Mitteln verteidigen. „Wir werden kämpfen“, sagte Jazenjuk in einem am Dienstag ausgestrahlten Interview mit dem US-Sender PBS. Dafür sei aber die Hilfe anderer Länder notwendig. Jazenjuk stellte allerdings klar, dass er einen militärischen Konflikt nicht suche. „Es ist glasklar, dass niemand einen Dritten Weltkrieg auf dem Globus will.“

Die USA warnen Russland vor einer Bedrohung von Nato-Mitgliedern. Dann müsse das Bündnis eingreifen. Derzeit gebe es aber keinen Grund für militärisches Handeln. Der Westen sei zu schmerzhaften Wirtschaftssanktionen bereit - notfalls.

„Wir sind besorgt über ein weiteres Vordringen Russlands in die Ukraine“, sagte Obama am Dienstag. „Es ist jetzt an Russland, sich verantwortungsvoll zu verhalten und zu zeigen, dass es sich an internationale Regeln hält.“ Tue es das nicht, so werde es „zusätzliche Kosten geben: Und die werden die Weltwirtschaft etwas stören, aber sie werden die größten Folgen für Russland haben.“ Er sagte: „Ich denke, das wäre eine schlechte Entscheidung von (Russlands Präsident Wladimir) Putin. Aber schließlich ist er der Präsident und muss das entscheiden. Solche Wirtschaftssanktionen könnten einige westliche Staaten härter als andere treffen. Er sei aber „ermutigt durch die Bereitschaft und Entschlossenheit aller Länder, zu schauen, wie sie sich daran beteiligen können.“

„Russland ist eine regionale Macht“

Obama wandte sich gegen den Vorwurf, nicht hart genug gegenüber Putin zu sein. „Wo es nicht um unsere Selbstverteidigung geht, mag es sein, dass wir nicht militärisch vorgehen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht ständig gegen jene Kräfte angehen, die die Prinzipien und Ideen verletzen, die uns wichtig sind.“ Russland sei heute „isolierter als vor fünf Jahren“, weil die USA die internationale Gemeinschaft um eine Reihe von Prinzipien und Normen habe scharen können.

„Russland ist eine regionale Macht, die einige ihrer unmittelbaren Nachbarn bedroht - nicht aus Stärke, sondern auch Schwäche“, sagte Obama. „Wir haben beachtlichen Einfluss auf unsere Nachbarn. Üblicherweise müssen wir bei ihnen nicht einmarschieren, um eng mit ihnen zusammenzuarbeiten. Die Tatsache, dass Russland unter Verletzung internationalen Rechts militärisch eingriff, zeigt, dass es weniger und nicht mehr Einfluss hat.“

Obama, der am Mittwoch in Brüssel unter anderem mit Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprechen wird, versicherte die östlichen Mitglieder der Nato des militärischen Schutzes der Allianz. „Als Nato-Mitglieder sind wir überzeugt, dass ein Eckpfeiler unserer Sicherheit darin besteht, dass wir alle Artikel 5 des Nato-Vertrags über die gemeinsame Sicherheit anwenden“, sagte er.

Dieser Artikel sieht militärischen Beistand der Nato für den Fall eines Angriffs auf ein Nato-Land vor. Die Nato versuche derzeit, Notfallpläne so aufzustellen, dass jeder Verbündete sicher sein könne, vor Bedrohungen geschützt zu sein. „Deswegen gibt es die Nato.“

Kein Rückzug von der Krim erwartet

„Russlands Handeln ist ein Problem“, sagte Obama. „Sie sind nicht die Sicherheitsbedrohung Nummer Eins für die USA. Wenn es um unsere Sicherheit geht, dann mache ich mir immer noch größere Sorgen darüber, dass eine Atomwaffe in Manhattan gezündet werden könnte.“

Der US-Präsident machte deutlich, dass er keinen Rückzug Russlands von der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim erwartet. „Die Realität an Ort und Stelle ist, dass das russische Militär die Krim kontrolliert.“ Es gebe dafür auch Unterstützer innerhalb der Krim. „Man kann nicht erwarten, dass sie gewaltsam vertrieben werden könnten. Es wäre unehrlich, zu behaupten, dass es eine einfache Lösung für das gibt, was bereits auf der Krim passiert ist.“ Er fügte hinzu: „Was wir einsetzen können, sind rechtliche und diplomatische Argumente und politischen Druck.“

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