Vorschläge für künftige EU: Später Aufbruch in die Moderne

Elf Außenminister legen einen Bericht vor, mit dem die EU „zukunftssicher“ gemacht werden soll. Alles soll demokratischer werden und schneller gehen.

Die EU-Zukunftsgruppe bei ihrem Meeting in Warschau. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Es ist wie das Erwachen von Dornröschen nach ihrem hundertjährigen Schlaf: Plötzlich besinnen sich die Außenminister von elf EU-Staaten unter der Führung von Guido Westerwelle darauf, dass die Europäische Union doch eine gute Sache sei und man die Gemeinschaft stärken müsse.

„Wenn wir proeuropäische Entscheidungen wollen, müssen wir auch ein proeuropäisches Klima schaffen. Nur geeint sind wir stark genug, um in der Globalisierung erfolgreich zu bestehen“, sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle nach dem Treffen der „Zukunftsgruppe“ in Warschau.

Westerwelle hatte die Gruppe Anfang des Jahres ins Leben gerufen. Nun – nach vier gemeinsamen Sitzungen – haben die Minister ein zwölf Seiten langes Papier mit erstaunlich konkreten, aber auch weitreichenden Vorschlägen vorgelegt: Sie wünschen sich zum Beispiel europäische Spitzenkandidaten aller Fraktionen für die nächsten Europawahlen 2014. So soll der Wahlkampf europäischer werden.

Außerdem wollen sie die EU-Kommission stärken und den Präsidenten direkt von den Bürgern wählen lassen. In der Außenpolitik sollen die Regierungen nicht mehr einstimmig, sondern mehrheitlich entscheiden, und die EU soll auf internationaler Ebene gemeinsame Erklärungen abgeben.

Der grüne EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit freut sich über die EU-Renaissance in den europäischen Hauptstädten: „Es ist ein klares Signal für mehr Vertiefung der europäischen Integration“, sagte er zur taz.

Tatsächlich sind einige Vorschläge mehr als erstaunlich; besonders die Forderung nach einer Stärkung der Europäischen Kommission. In den vergangenen Jahren haben die Regierungen mit Nachdruck versucht, der Brüsseler Behörde immer mehr Kompetenzen zu entziehen.

Kommission geschwächt

Während der Schuldenkrise entscheiden die Regierungen weitgehend ohne Rücksprache mit der Kommission oder dem EU-Parlament. Mit der Ernennung eines ständigen Ratspräsidenten hat der Chef der Kommission zusätzlich an Einfluss verloren.

Nun scheinen zumindest elf Regierungen diese Entwicklung stoppen und die Gemeinschaftsinstitutionen neu beleben zu wollen. Neben Deutschland nehmen die drei Benelux-Staaten, Dänemark, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Portugal und Spanien an der Zukunftsgruppe teil.

Man habe, heißt es aus dem Auswärtigen Amt, eine ausgewogene Mischung zusammenstellen wollen: Süd- und Nordstaaten, alte und neue Mitgliedsländer sowie Netto-Zahler und Zahlungsempfänger. Diese „Heterogenität“ solle dazu beitragen, dass später leichter Kompromisse mit allen 27 Mitgliedsländern gefunden werden können.

Willkürliche Zusammensetzung

Der Generalsekretär der Stiftung der europäischen Sozialdemokraten (FEPS), Ernst Stetter, hält die Zusammensetzung dennoch für „willkürlich“: „Ich habe das Gefühl, man hat die genommen, die die Hand gehoben haben und die Westerwelle helfen wollen. Die Briten und die Griechen wären wichtige Gesprächspartner gewesen. Aber sie fehlen.“

Stetter hält die Zukunftsgruppe vor allem für eine Werbeveranstaltung für den deutschen Außenminister. Es gehe in dem Papier nur um institutionelle Reformen.

„Aber die Minister haben sich nicht eindeutig dazu bekannt, mehr Kompetenzen an die Europäische Union zu übertragen.“ Auch Daniel Cohn-Bendit glaubt, dass Westerwelle sich mit diesem Projekt von der FDP absetzen und sein eigenes europäisches Profil schärfen will.

Nur Wahlrecht ändern

Cohn-Bendit befürchtet, dass die Minister „zu ängstlich“ sind, um ihre Vorschläge nun schnell durchzusetzen. „Das sieht alles nach einem großen Konvent nach den nächsten Europawahlen aus. Dabei bräuchten wir jetzt Änderungen und eine echte Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union.“

Er schlägt vor, zumindest die Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten schon für die kommende Europawahl zu versuchen. „Es geht nur um die Änderung des Wahlrechts. Das müsste schnell gehen, ohne große Vertragsänderungen.“

Jeder Wähler hätte zwei Stimmen, mit denen er eine Partei im Parlament sowie den Kandidaten für die EU-Kommission wählen könnte. Nun geht das Papier erst einmal an die Regierungen und Institutionen in Brüssel. Schaden kann das nicht.

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