Vorwurf gegen US-Richterkandidat: Eine zweite Frau wird laut

Brett Kavanaugh wird von einer weiteren Frau sexuelle Belästigung vorgeworfen. Sie kriegt von vielen DemonstrantInnen Unterstützung.

Brett Kavanaugh macht eine entschuldigende Geste

Sagt, er habe nichts getan: Brett Kavanaugh Foto: ap

NEW YORK taz | Vier Tage bevor Brett Kavanaugh sich vor dem Justizausschuss des US-Senats gegen den Vorwurf einer versuchten Vergewaltigung wehren will, hat am Sonntag eine zweite Frau aus seiner Jugend Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen den Mann erhoben, den Donald Trump zum Obersten Richter machen will.

Bei einem Besäufnis in einem Studentenwohnheim der Eliteuniversität Yale soll Kavanaugh die Hosen heruntergelassen und seine am Boden sitzende Kommilitonin mit seinem Penis bedrängt haben. Während er sich lachend wieder anzog habe ein anderer Student in den Gang gerufen: „Brett Kavanaugh hat Debbie gerade seinen Penis ins Gesicht gehalten“, berichtete die heute 53-Jährige dem New Yorker.

Genau wie die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford, die eine Woche zuvor die Bombe platzen ließ, ein volltrunkener Kavanaugh habe versucht, sie zu vergewaltigen, als sie 15 war, zögerte auch Ramirez lange, bevor sie ihre Vorwürfe öffentlich machte. Im Studienjahr 1983-84 schämte Ramirez sich, weil sie selbst betrunken war. Und als Donald Trump den Richter in diesem Sommer für das Oberste Gericht vorschlug, war Ramirez sich nicht sicher, ob ihre lückenhaften Erinnerungen ausreichen würden.

Doch in Kreisen von ehemaligen Yale-StudentInnen, die seit Jahrzehnten Gerüchte über die Geschichte kannten, liefen die Diskussionen auf Hochtouren, seit Trump den Obersten Richter nominiert hat. Dann erfuhren MitarbeiterInnen demokratischer SenatorInnen davon und begannen Recherchen. Als jetzt auch der New Yorker an Ramirez herantrat, war sie so weit, dass sie – genau wie die Psychologieprofessorin – neue Ermittlungen des FBI über Kavanaugh verlangte.

Ramirez sei ehrlich und glaubwürdig

Einer der beiden AutorInnen der New Yorker-Geschichte ist der Journalist Ronan Farrow, der mit vorausgegangenen Enthüllungen über sexuelle Gewalt schon den Film-Produzenten Harvey Weinstein, sowie zahlreiche andere Größen aus Hollywood und dem Fernsehen zu Fall gebracht hat.

Im Fall Kavanaugh gegen Ramirez trug Farrow zusammen mit Jane Mayer sowohl die verschiedenen Meinungen von ehemaligen Yale-StudentInnen zusammen: sowohl von solchen, die den Vorgang bestreiten und sagen, dergleichen entspräche nicht „Kavanaughs Charakter“, als auch von solchen, die davon überzeugt sind, dass Ramirez vor 34 Jahren ehrlich und glaubwürdig war und es auch heute noch ist.

Kavanaugh reagierte mit einem Dementi auf die neuen Enthüllungen, das ebenso kategorisch ausfiel, wie das von der Vorwoche

Kavanaugh reagierte mit einem Dementi auf die neuen Enthüllungen, das ebenso kategorisch ausfiel, wie das von der Vorwoche. Das Weiße Haus leistete ihm erneut Schützenhilfe. Sprecherin Kerri Kupec sprach am Sonntag von einer „koordinierten Schmierkampagne“ gegen den Richter.

Doch Kavanaughs Weg in das Oberste Gericht, den Trump als Argument für die Midterm-Wahlen im November benutzen wollte, ist für die RepublikanerInnen ein Alptraum geworden. In seinen Senats-Hearings hatte Kavanaugh sich als Frauenfreund dargestellt und viele Worte über die Juristinnen, die er beschäftigt hat, die Mentorinnen, die sein Leben beeinflusst haben, und sein Coaching für seine Töchter gesagt. Aber seit Blaseys Vergewaltigungsvorwurf ist ein Bild von ihm entstanden, das von Alkoholexzessen und Sexismus – zumindest in seiner Jugend – geprägt ist.

Glaubwürdigkeit leidet

Darunter hat seine Glaubwürdigkeit – vor allem bei Frauen – gelitten. Selbst in einer Umfrage des rechten TV-Senders Fox News glaubten in der zurückliegenden Woche nur 30 Prozent der Befragten sein Dementi, während 36 Prozent der Ansicht waren, dass seine Anklägerin, die Psychologin Dr. Ford, die Wahrheit sagt. Freilich verteidigte die Mehrheit der republikanischen WählerInnen in der vergangenen Woche noch Kavanaughs Bestätigung für das Oberste Gericht.

DemokratInnen waren schon zuvor gegen den konservativen Richter, der in seiner Karriere versucht hat, das Recht auf Abtreibung zurückzudrängen, der für weitgehende Freiheiten im Waffenbesitz eintritt und der die Immunität von US-Präsidenten nicht antasten will, aber keine Milde gegenüber jugendlichen StraftäterInnen kennt.

Der Vergewaltigungsvorwurf löste eine neuen Welle in der Me-Too-Bewegung aus. An vielen Orten im Land berichteten anschliessend Frauen von eigenen Vergewaltigungen, die sie nie angezeigt haben. Unter ihnen war auch Ronald Reagans Tochter Patti Davis, die mit einer vier Jahrzehnte zurückliegenden Vergewaltigung an die Öffentlichkeit ging.

In Washington belagerten Demonstrantinnen die Büros von SenatorInnen. Dabei skandierten sie: „Ich glaube Dr. Blasey“. Und – in Erinnerung an den Vorwurf sexueller Belästigung gegen den Obersten Richter Clarence Thomas: „Ich glaube Anita Hill.“ Und: „Ich glaube Frauen“. Sie erinnerten auch an die Statistiken, wonach die Mehrheit der Vergewaltigungen nie angezeigt werden.

Unterstützung durch FBI gefordert

Zweifel an Kavanaughs moralischer Tauglichkeit für das Oberste Gericht haben selbst das Weiße Haus erreicht. Nach Berichten von Vanity Fair soll Trumps Tochter Ivanka den Präsidenten aufgefordert haben, seine Nominierung zurückzuziehen.

„Wir brauchen eine Untersuchung durch das FBI“ verlangte Mazie Hirono, demokratische Senatorin aus Hawaii, die im Justizausschuss des Senats sitzt, am Sonntag erneut. Doch zu dem Zeitpunkt zeigten die elf weißen Männer, die für die Republikanische Partei die Mehrheit im Justizausschuss stellen, immer noch keine Anzeichen von Zweifel an ihrer Unterstützung für Trumps Richter.

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