Wahl der Bezirksversammlungen: Unbekannte Kandidaten

Bald werden die Hamburger Bezirksversammlungen neu gewählt. Es treten auch Direktkandidaten quasi aus der Nachbarschaft an. Aber wer kennt die schon?

Ein Zettel mit der Aufschrift „Bitte keine Selfies in der Wahlkabine“ hängt an der Kabine des Wahllokals.

Manche beschäftigen sich beim Wählen lieber mit sich selbst als mit den Kandidaten Foto: dpa

HAMBURG taz | Als dieser Tage die Muster-Stimmzettel für die Wahl der Bezirksversammlungen im Briefkasten gelandet sind, dürfte sich mancher am Kopf gekratzt haben: Kenne ich einen von denen, die da auf den Listen stehen? Und das umso mehr, als die Kandidaten für den ganzen Bezirk vielleicht noch in der Zeitung auftauchen – aber die Kandidaten aus dem Stadtteil?

Seit 2009 gibt es auch in den Bezirken Wahlkreise. Demnach können Wähler fünf Stimmen auf die Kandidatenlisten der Parteien für den ganzen Bezirk verteilen und fünf Stimmen auf die Kandidaten ihres Wahlkreises, der in manchen Fällen nur einen Stadtteil umfasst. Die Stimmen können beliebig auf die Kandidaten verteilt werden, sodass auch Kandidaten, die von den Parteien auf hintere Listenplätze gesetzt wurden, nach vorne gewählt werden können.

„Wir waren immer davon ausgegangen, dass es im Interesse der Parteien liegen müsste, ihre Kandidaten bekannt zu machen“, sagt Angelika Gardiner, die als damaliges Mitglied im Landesvorstand von Mehr Demokratie die entsprechende Wahlrechtsänderung vorangetrieben hat. Die Praxis zeige allerdings, dass die Parteien die Möglichkeit, Kandidaten nach vorne zu wählen, torpedierten.

„Die vorne werden beworben, weil sich die Parteien ungern ihren Einfluss auf die Zusammensetzung der Wahllisten nehmen lassen“, sagt Gardiner. Bei den Bürgerschaftswahlen habe es quer durch alle Parteien sogenannte Fairnessabkommen gegeben. Diese sollten verhindern, dass Kandidaten auf hinteren Plätzen auf eigene Rechnung Wahlkampf und damit die Liste obsolet machten.

Jeweils fünf Stimmen können laut Wahlgesetz auf Bezirks- und Wahlkreislisten verteilt werden.

2014 haben 22 Prozent der Wähler ihre Stimmen auf den Bezirkslisten gehäuft und verteilt, 67 Prozent nur gehäuft, elf Prozent nur verteilt.

Auf den Wahlkreislisten häuften und verteilten 39 Prozent der Wähler, 41 Prozent häuften nur, 19 Prozent verteilten ausschließlich.

Petra Bödeker-Schoemann, die auf Platz eins der Grünen im Wahlkreis 4 – Bahrenfeld West/ Groß Flottbek/Othmarschen – kandidiert, ist nicht besonders glücklich mit den Wahlkreisen. „Das Volk wollte es so“, sagt sie. Dabei bemühten sich die Parteien ja, auf ihren Listen einen ausgewogenen Mix anzubieten.

Es sei schwierig, die vielen Kandidaten, die das System erfordere, bekannt zu machen. Bödeker-Schoemanns Einschätzung nach spielen die Wahlkreiskandidaten in den Bezirken keine Rolle. „Ich glaube sogar, dass die wenigsten Wähler die Frage, wer ihr Bürgerschaftsabgeordneter sei, beantworten könnten.“

Auch Eva-Luise Schmuckall, die im gleichen Wahlkreis auf Platz drei für die CDU kandidiert, sieht keinen Sinn darin, auf eigene Faust Wahlkampf zu machen. „Von mir gibt es keine Plakate und auch keine Flyer“, sagt sie. Es sei sinnvoller, wenn alle die Kandidaten unterstützten, die oben auf der Liste stehen.

Für Schmuckall wie für Bödeker-Schoemann heißt das, dass sie natürlich Straßenwahlkampf machen, etwa indem sie regelmäßig auf Wochenmärkten stehen. Das Gleiche gilt für den Altonaer SPD-Abgeordneten Andreas Bernau. „Mittlerweile hat sich das so eingebürgert, dass sich die Leute einen Waschzettel schreiben, bevor sie zu mir kommen“, erzählt er.

Der Beruf als Orientierung

Zwar wirbt auch die SPD nur für die beiden obersten Kandidaten auf ihrer Bezirksliste. Deren Reihenfolge werde von den Parteimitgliedern festgelegt. „Wenn ein Kandidat auf Platz sieben sagt, er will mit mir am Infostand stehen, habe ich damit kein Problem“, sagt Bernau.

Woran orientiert sich ein Wähler, wenn er den Kandidaten nicht kennt? Der Beruf scheint dabei so wichtig zu sein, dass sich ein Bürgerschaftskandidat nach einem kurzen Intensivkurs kurzerhand zum „Sanitäter“ machte, weil Gesundheitsberufe gut ankommen.

Am relevantesten dürfte die Kandidatenauswahl für Leute sein, die schon mit der Politik im Clinch waren. „Wenn ich die Partei gut finde und durch Kumulieren die Reihenfolge verändern kann, finde ich das gut“, sagt Hanna Rohmeyer, die sich in der Initiative Bahrio 68 gegen eine Hof-Bebauung engagiert.

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