Wahl in Guinea: Demokratisierung bringt Krise

Der erste gewählte Präsident Guineas, Alpha Condé, verheddert sich in Konfrontationen. Kurz vor geplanten Parlamentswahlen eskaliert die Gewalt auf der Straße.

Conakry, 23. Mai: Oppositionelle Demonstranten gegen Polizei. Bild: ap

BERLIN taz | Kein Land Westafrikas hat in der Vergangenheit so lange unter brutalster Militärherrschaft gelitten wie Guinea – und keines tut sich heute so schwer mit der Demokratisierung. Dass der langjährige linke Oppositionelle Alpha Condé, unter früheren Diktaturen verfolgt und ins Exil getrieben, im Dezember 2010 bei Guineas ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit 1958 zum Präsidenten gewählt wurde, war ein historisches Ereignis. Jetzt treibt die bevorstehende erste freie Parlamentswahl das Land in die Krise.

Mindestens 12 Menschen nach Regierungsangaben, mindestens 17 nach Oppositionsangaben sind bei schweren Unruhen in Guineas Hauptstadt Conakry seit dem 21. Mai ums Leben gekommen. Die Opfer der Gewalt sollten am Mittwochnachmittag öffentlich zu Grabe getragen werden – ein potenzieller Anlass für erneute Proteste. Regierung und Opposition werfen sich gegenseitig vor, Gewalt zu schüren, und Guinea scheint gefangen in einer Spirale des Misstrauens.

Unversöhnliche Welten stehen sich gegenüber. Kern der Opposition unter dem Wahlverlierer von 2010, Cellou Dalein Diallo, ist Guineas größte Ethnie der Peul, die in der Wirtschaft und im Handel dominiert, aber noch nie einen Staatschef stellte. Der 75-jährige Condé, der dem zweitgrößten Volk der Malinke angehört, ist ein linker Intellektueller und setzt auf den Staat als Motor einer Renaissance eines der rohstoffreichsten, aber ärmsten Länder Afrikas.

Condé tendiert dazu, lieber alles selber zu machen, als über Institutionen zu regieren. Die Wahl eines Parlaments, die eigentlich schon 2010 geplant war, hat er mehrmals verschoben – erst wollte er mit Reformen glänzen, beispielsweise im Bergbausektor. Nachdem die Opposition zunächst auf schnelle Wahlen drängte, will sie jetzt eine sorgfältigere Vorbereitung, wenn es nun schon so lange dauert.

Da ihre Forderungen nach einer neuen Wählerregistrierung und nach Auswechslung der bisher mit dem Wahlregister betrauten südafrikanischen Firma Waymark bei der Regierung auf taube Ohren gestoßen sind, sieht sie nicht ein, warum sie den im April per Dekret festgelegten Wahltermin 30. Juni 2013 akzeptieren sollte – es ist bereits der vierte.

Politische Konfrontation wird ethnisch

Diese politische Konfrontation, die es ähnlich in zahlreichen afrikanischen Ländern gibt, findet in Guinea eine spezifische ethnische Fortsetzung. Schon nach den Wahlen 2010 war es zu ethnischen Unruhen gekommen. Peul-Führer sehen jetzt ihre Ethnie kollektiv als verfolgte Opposition; immer wieder verbreiten sie Warnungen vor einem bevorstehenden „Genozid“.

Die Sicherheitskräfte, die Condé relativ unreformiert von den vor ihm regierenden Militärdiktatoren übernommen hat – ein Preis dafür, dass diese die Macht überhaupt abgaben –, tun das Ihre, um solche Warnungen zu rechtfertigen. Regelmäßig veranstalten sie blutige „präventive“ Razzien in Oppositionshochburgen und mehrheitlich von Peul bewohnten Stadtteilen von Conakry.

Viele der Toten, die es immer wieder bei Demonstrationen in der Hauptstadt gibt, sind totgeprügelt worden – von wem, ist dann wiederum Streitpunkt.

In Reaktion auf die Gewaltakte ist der Präsident jetzt zu alter Form als mahnender Exdissident aufgelaufen. „Niemand darf aufgrund seiner Herkunft oder seiner Überzeugungen Opfer sein“, sagte er in einer Fernsehansprache am Dienstagabend und kündigte eine Sonderjustiz und Entschädigung der Opfer an. „Ich habe jahrelang mit meiner Person für das Recht auf Meinungsfreiheit gekämpft.“ Dann entließ er seinen Innenminister.

Will das Militär zurück in die Politik?

Zugleich aber mehren sich Ängste vor einer Rückkehr des Militärs zur Auflösung der Blockade. Der letzte Militärherrscher Guineas, Sekouba Konaté, ist heute Sonderbeauftragter der Afrikanischen Union (AU) für die geplante ständige AU-Eingreiftruppe. Beim AU-Gipfel in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba am vergangenen Wochenende stand er stärker im Rampenlicht als Guineas Präsident.

Zum Gipfel kam auch Konatés ehemaliger Sprecher Idrissa Chérif, der die Gelegenheit für ein feuriges Interview nutzte: Condé sei „ein reiner Kommunist“, „der schlimmste Präsident Guineas“ und mache „Guinea zur Lachnummer Afrikas“, es sei „Zeit, dem ein Ende zu setzen“.

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