Wahl in Weißrussland: Schreckensszenario Maidan

Am Sonntag wird in Weißrussland ein neuer Präsident gewählt. Der Sieger steht bereits fest – Alexander Lukaschenko.

altes Ehepaar betrachtet Lukaschenko im Fernsehen

Er wird wohl auch nach Sonntag als weißrussischer Präsident über die Bildschirme flimmern: Alexander Lukaschenko Foto: ap

BERLIN taz | Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat alle Chancen einen Eintrag in das Guinnessbuch der Rekorde zu schaffen. Am Sonntag will sich der 61-Jährige, der seit 1994 im Amt ist, für fünf weitere Jahre zum Präsidenten wählen lassen. Dass er das schafft, bezweifelt niemand.

Dabei sah es bereits bei der letzten Präsidentschaftswahl 2010 nicht so rosig für ihn aus. Damals gab es ernstzunehmende alternative Präsidentschaftskandidaten, die eine breite Unterstützung bei den Wählern genossen.

Die weißrussische Opposition wurde von dem Erfolg der orangen Maidan-Revolution in Kiew von 2004 bis 2005 inspiriert. Nach der Wahl wurden Lukaschenko massive Wahlfälschungen vorgeworfen und Oppositionsführer riefen die Wähler zum Protest im Zentrum von Minsk auf. Fast 100.000 Leute folgten diesem Ruf. Lukaschenko ließ die Demonstration brutal niederschlagen. Fast alle seine Konkurrenten landeten im Gefängnis, der letzte Gefangene, der Sozialdemokrat Nikolaj Statkevitsch, wurde erst vor Kurzem entlassen.

Diese Brutalität hat die Opposition eingeschüchtert, viele oppositionelle Politiker und Journalisten verließen das Land. Diesmal gelang es der Opposition nicht einmal, einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. „Konkurrenz“ machen dem amtierenden Präsidenten lediglich ein paar Pseudokandidaten.

Weitere Annnäherung oder Abgrenzung zu Russland?

Ein ruhiger Schlaf ist dem „letzten Diktator Europas“ trotzdem nicht vergönnt. 500 Demonstranten protestierten am vergangenen Sonntag auf dem Freiheitsplatz in Minsk gegen die von Moskau angekündigte Unterbringung einer russischen Militärbasis auf dem weißrussischen Territorium. „Wir wollen kein Krim-Szenario in Weißrussland!“ stand auf Plakaten.

Prompt ließ Lukaschenko verlautbaren, dass ihm diesbezüglich keinerlei Pläne Moskaus bekannt seien, was selbst den wortgewandten Pressesprecher des Kreml ins Schwitzen brachte. Tatsache ist, dass der entsprechende Erlass von Wladimir Putin bereits am 18. September unterzeichnet wurde und auf eine Vereinbarung zwischen Russland und Weißrussland zurückgeht.

„Konkurrenz“ machen dem Präsidenten lediglich ein paar Pseudokandidaten

Das zeigt deutlich, auf welch dünnem Eis sich der Geopolitiker Lukaschenko bewegt. Einerseits bekommt er für seine Loyalität zu Russland als Gegenleistung großzügige Preisnachlässe für Öl- und Gaslieferungen, was ihm bisher unter anderem ermöglichte, das Einkommensniveau in Weißrussland doppelt so hoch zu halten wie etwa in der Ukraine zu Zeiten vor Maidan. Andererseits präsentiert er sich dem Westen gegenüber als Friedensstifter, indem er als Gastgeber und Vermittler bei der internationalen Lösung des Ukraine-Konflikts im Format der „Normandischen Vier“ in Minsk auftritt.

Innenpolitisch spielt Lukaschenko die Karte des „Garanten der Stabilität“ aus. Die Erfahrung der brutalen Auflösung der Massenproteste von 2010 sowie der blutige Krieg im Donbass haben die Idee eines „Maidan“ in den Augen der Wähler diskreditiert.

Falls am Sonntag die üblichen Wahlfälschungen tatsächlich ausbleiben, besteht zudem die Hoffnung, dass die Ergebnisse dieser Präsidentschaftswahlen zum ersten Mal vom Westen anerkannt werden. Experten rechnen damit, dass der Westen diesmal wirklich die Sanktionen, die 2011 wegen Menschenrechtsverletzungen verhängt wurden, aufheben könnte, um Weißrussland etwas stärker an den Westen zu binden und nicht komplett dem russischen Einfluss zu überlassen.

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