Wahlkampf in Berlin: Die Politik will in die Moschee

In einer Neuköllner Moschee diskutieren PolitikerInnen mit Musliminnen und Muslimen. Die wollen vor allem, dass ihnen mal jemand zuhört.

Plötzlich als potentielle WählerInnen interessant: deutsche Muslime Foto: DPA

Mohamed Taha Sabri ist ein kluger und ein humorvoller Mann. Und so hatte der Imam der „Neuköllner Begegnungsstätte“ gleich zwei amüsante Ideen für die Wahlkampfveranstaltung in seiner Moschee. Der erste: Imam Taha begrüßte die TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion „Muslime fragen – Politiker antworten“ mit einem historischen Zitat von Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) – wenn auch nicht, um sich wie einst dieser als schwul zu outen. „Wir werden uns nie in allen Punkten einig sein“, sagte statt dessen der Imam: „Und das ist auch gut so!“ Denn: Diskussion gehöre zum Zusammenleben in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft dazu.

Zur Diskussion mit PolitikerInnen hatte die Moschee am Freitagabend geladen. Gekommen waren Rainer-Michael Lehmann von der SPD, Hikmet Gülmez, CDU-Kandidat in Friedrichshain-Kreuzberg, Susanna Kahlefeld, Sprecherin für Partizipation und Gleichbehandlung der Grünen im Abgeordnetenhaus, die Neuköllner Linke-Kandidatin Irmgard Wurdack, der Pirat Alexander Spies und der FDP-Integrationspolitiker Wolfgang Jockusch. Die AfD hatte trotz Einladung und vorheriger Zusage keinen Vertreter geschickt. Dazu etwa 200 Gäste, Mitglieder der arabischen Moscheegemeinde und AnwohnerInnen, etwa ein Viertel Biodeutsche, etwa ein Viertel Frauen.

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion – und das ist der zweite kleine Scherz, den sich Imam Taha erlaubt hat – von Winfriede Schreiber. Sie war bis 2013 Leiterin des Brandenburger Verfassungsschutzes und zuvor Polizeipräsidentin von Frankfurt Oder. Eigentlich keine sonderlich lustigen Jobs: Humor beweist Taha mit seiner Wahl, weil seine Moschee zu Sicherheitsbehörden ein durchaus angespanntes Verhältnis hat. Der Berliner Verfassungsschutz hält sie für gefährlich: wegen ihrer Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft. Doch das sehen wohl nicht alle in Berlin so: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) verlieh Taha im vergangenen Jahr den Verdienstorden des Landes – weil er sich gegen die Radikalisierung von Muslimen einsetze.

Wohl auch deshalb waren viele MedienvertreterInnen in die Moscheeräume an der Flughafenstraße gekommen. Ein echter Dialog auf Augenhöhe war es nicht, denn wie viele der Anwesenden überhaupt wahlberechtigt sind, ist unklar. Gut ein Drittel der Menschen in Nordneukölln hat keinen deutschen Pass. Sie dürfen bei Senatswahlen gar nicht mitwählen. Dennoch diskutierte das Publikum nach einer kurzen Vorstellungsrunde der PolitikerInnen engagiert – und sorgte dafür, dass die Veranstaltung ihrem Titel zum Teil gereicht wurde – in einem positiven Sinne: Muslime reden – PolitikerInnen hören zu. Denn das Bedürfnis gerade der überwiegend arabischstämmigen MuslimInnen, ihren Anliegen und Sorgen Gehör zu verschaffen, war groß. Das ging von dem Terrorverdacht, unter den sich viele Muslime in Deutschland gestellt fühlen, über die von vielen als schlecht empfundenen Schulen im nördlichen Bezirk, „wo unsere Kinder nicht richtig Deutsch lernen“, bis zu der Forderung nach einer klaren Aussage der PolitikerInnen zu ihrer Haltung zum Neutralitätsgesetz, das Frauen mit Kopftuch etwa den Lehr- oder Polizeiberuf versperrt.

Und die Gefragten lieferten – jedenfalls fast alle. Heimvorteil hatte die Neuköllner Grüne Kahlefeld, der man ihre Erfahrungen mit den Sorgen und Nöten, aber auch mit dem Gespräch mit MuslimInnen anmerkte. Sympathiepunkte machte der FDP-Mann Jockusch, der ganz liberal das Kopftuch für „unwichtig für den Erfolg oder Misserfolg von Integration“ erklärte: Wichtig sei dagegen gesellschaftliche Partizipation und: „Steuern zahlen!“ Die Linke Wurdack konnte mit ihrer deutlichen Forderung, das Neutralitätsgesetz müsse „natürlich!“ abgeschafft werden, nur punkten, weil sich offenbar keiner in der Moschee – sie selbst eingeschlossen – noch daran erinnerte, dass dieses Gesetz 2005 von einer Regierungskoalition aus SPD und Linkspartei eingeführt worden war. Piraten- und SPD-Vertreter blieben in der Debatte blass und empathielos, der selbst aus einer (türkeistämmigen muslimischen) Einwandererfamilie stammende CDU-Kandidat dagegen konnte aus seiner eigenen Migrationsgeschichte bei dem Moscheepublikum keinen Profit schlagen. Seine Vorschläge, Frauen mit Kopftuch sollten eben „nicht so konfrontativ“ auftreten, und Eltern sollten bei schlechten Schulen im Bezirk ihre Kinder eben in anderen Bezirken einschulen, stießen auf wenig Zustimmung.

Den arabischstämmigen Gästen im Publikum war bei all dem vor allem die Freude darüber anzumerken, dass sich Politik überhaupt einmal für sie und ihre Belange interessiert. Die Diskussion war die letzte einer ganzen Veranstaltungsreihe, mit der die Berliner Landeszentrale für politische Bildung die Wahlbeteiligung von MuslimInnen fördern will – eine WählerInnengruppe, die wohl nicht zuletzt mit Blick auf erstarkende rechte Parteien als Gegengewicht nun interessanter als bislang wird.

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