Wahlsieger Stephan Weil: Der Prototyp des Niedersachsen

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Stephan Weil ist unprätentiös und fleißig. Die Finanzen hat er im Griff. Das könnte sich auszahlen.

Stephan Weil winkt

Akribischer Verwaltungsmensch: Der Sozialdemokrat Stephan Weil Foto: dpa

HANNOVER taz | Das Bild an der Wand hinter seinem Schreibtisch in der Staatskanzlei von Hannover ist für ihn eine „Referenz an Niedersachsen“. Das hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kürzlich im NDR-Interview verraten.

Es zeigt einen schwarz-weiß gescheckten Kuharsch und einen dicken Fladen. Der Titel: „Die scheue Schöne“. Und das, so findet der Ministerpräsident, passe auch auf sein Bundesland.

Er selbst, obwohl in Hamburg geboren, gilt vielen Einwohnern als Prototyp des Niedersachsen: Der Jurist ist bodenständig und spricht nur, wenn er vorher nachgedacht hat. Er ist ein Typ, den man ohne Bodyguards am Sparkassenautomaten trifft, der in der Öffentlichkeit gern Currywurst mit Pommes isst, einen VW Golf fährt – zum Glück einen Benziner – und eine Dauerkarte für Hannover 96 besitzt.

Er lungert dann nicht im VIP-Bereich herum, wie es Ex-Kanzler Gerhard Schröder gerne tut, sondern sitzt einfach auf der Westtribüne.

Reine Fleißarbeit

Auch sein Wahlkampf ist unprätentiös – und reine Fleißarbeit. Weil hat alle 87 Wahlkreise des Landes besucht. Er füllt dann keine großen Hallen und schwingt große Reden.

Er lässt sein Publikum stattdessen Fragen auf Bierdeckel schreiben. Dann meldeten sich nicht nur die immer Gleichen bei solchen Veranstaltungen zu Wort, sagt Weil: „Ich schwöre darauf.“

Wer ihm nicht gewogen ist, würde den akribischen Verwaltungsmenschen Weil wohl als blass und langweilig beschreiben. Vor seiner Kandidatur zur Landtagswahl 2013 kannte ihn in Niedersachsen kaum jemand.

Was interessiert einen Ostfriesen schon der Oberbürgermeister von Hannover? Noch dazu, wenn es nicht der legendäre Herbert „Schmalle“ Schmalstieg ist, der die Landeshauptstadt 34 Jahre lang regiert hat, sondern dessen Nachfolger.

Hauchdünner Sieg

Hinzu kam, dass sein Amtsvorgänger von der CDU, David McAllister, im Land beliebt war. Weil kämpfte und blickte damals selbst ein wenig ungläubig in die Kameras, als der hauchdünne Sieg verkündet wurde, bevor er mit seinen Genossen La-Ola-Wellen aufführte.

Heute mischt sich der wieder gewählte Ministerpräsident immer öfter in die Bundespolitik ein. So bezweifelte er gerade öffentlich, dass die SPD 2021 im Bund schon wieder regierungsfähig ist – kurz vor der Landtagswahl. Seine Stimme hat in der Partei Gewicht.

Niedersachsen ist das letzte rot-grüne Flächenland. Weil werden bereits Ambitionen auf die Parteispitze nachgesagt. Er selbst hält den Ball flach, wie das so seine Art ist: „Wenn ich die Wahl gewinnen sollte, wird mein Wort mit oder ohne Parteiamt gehört werden“, hatte der 58-Jährige Spiegel Online gesagt.

Einem Flügel in der Partei will er sich nicht zuordnen. Er gehöre zum Rumpf, so der Landesvorsitzende. Mit sich selbst ist er zufrieden. Die vergangenen viereinhalb Jahre seien für Niedersachsen „insgesamt eine sehr erfolgreiche Zeit gewesen“, sagt er.

Finanzen im Griff

Tatsächlich ist erstmals in der Landesgeschichte der Haushalt ausgeglichen. Der Finanzen hat der ehemalige Stadtkämmerer Weil im Griff.

Trotzdem bleibt ein Makel. Erst kurz vor der Wahl musste seine Regierung eingestehen, dass es grobe Fehler und sogar Manipulationen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gegeben hat.

Staatssekretäre mussten gehen, ein Untersuchungsausschuss sollte die Vorfälle aufklären. Weil wirkte mitunter wie der Chef eines undisziplinierten und chaotischen Haufens.

Doch er bewies Ruhe und hielt an seiner Sprecherin fest, die ebenfalls in der Kritik stand. Weil ließ im Wirtschaftsministerium eine Prüfstelle für Vergaben einrichten. „Wir haben die Konsequenzen aus diesen Fehlern gezogen“, sagt er. Seine Wähler haben ihm die Fehler offenbar verziehen.

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