Waldspaziergang im Hambacher Forst: Breiter Protest durch den Wald

Der Protest im Hambacher Wald wird von der bürgerlichen Mitte getragen. Zum Waldspaziergang kommen mehr als 10.000 Menschen.

Mann und Frau mit Protestschildern auf Wiese

Rast während des Protestspaziergangs zum Hambacher Wald Foto: dpa

KERPEN taz | OrdnerInnen gibt es genug, etliche melden sich spontan noch. Aber die Armbinden reichen nicht aus. So viele Teilnehmende hat niemand erwartet. „Toilettenpapier geht auch“, verkündet Waldpädagoge Michael Zobel, der an diesem Sonntag wieder zum Waldspaziergang im Hambacher Forst aufgerufen hat. Wie viele gekommen sind, ist schwer zu schätzen. Schon vor dem offiziellen Beginn sind Hunderte zwischen den Bäumen verschwunden. „Die Polizei spricht auch schon von mehr als 10.000 Teilnehmern“, gibt Zobel um 12.30 Uhr weiter.

An diesem Sonntag darf der Spaziergang offiziell in den Wald, das erste Mal seit Beginn der Räumung. 77 Baumhäuser sind laut Polizei zerstört. Möglicherweise gebe es noch bislang unentdeckte Hütten, sagt ein Sprecher in Aachen. Weil die Veranstaltung alle Kräfte bindet, werden die Räumungen vorerst unterbrochen.

Teilnehmerin Christiane Niesel berichtet, sie habe während einer ICE-Fahrt mit Manfred Sauer (CDU) geredet, Dortmunder Bürgermeister und Vize-OB. „Wisst ihr, was dieser Bürgermeister zu mir gesagt hat?“, fragt sie bei der Kundgebung. „Sie gehören zu einer radikalen Minderheit.“ Buhrufe erschallen aus der Menge, die so gar nicht radikal aussieht. Kinderwagen, graue Haare, Cockerspaniel: Der Protest ist größtenteils bürgerlich.

Auch Dirk Jansen, Landesgeschäftsführer des Bundes für Natur und Umweltschutz Deutschland sagt: „Jede Woche kommen Oma, Opa, Kind und Kegel in den Wald.“ Klimaschutz und das „Retten unserer natürlichen Lebensgrundlage“ sei mittlerweile eine Volksbewegung geworden. Es sei ein Skandal, dass einige PolitikerInnen in Düsseldorf und Berlin das ignorierten: Der nordrhein-westfälischen Landesregierung aus CDU und FDP gehe es darum, den „starken Staat“ durchzusetzen. Das Recht zu roden aber habe RWE bislang noch nicht. „Wenn wir obsiegen vor Gericht, dann wird auch diese Rodungssaison ausfallen.“

Vor Ort ist auch der Waldexperte Peter Wohlleben, der „Das geheime Leben der Bäume“ geschrieben hat. „Ich glaube, wir können die Rodung aufhalten“, sagt er. „RWE meint, da führe kein Weg dran vorbei“, aber das sei eine Frage der Politik. „Wenn RWE unser Klima kaputt macht, ist das so gefährlich wie Fukushima – und ich fordere die Politik auf, auf diese Gefahr für die Bevölkerung zu reagieren.“

Ein Thema ist auch der Brief eines anonymen Polizisten, der ein paar Tage zuvor erschienen ist. Der Beamte ist nicht am Einsatz beteiligt, schildert aber seine Sicht auf die Ereignisse im Forst. „Keiner der Kollegen fand es auch nur ansatzweise richtig, was hier passiert“, schreibt er. Die Demonstrierenden als „linke Spinner“ zu bezeichnen, sei „äußerst leichtfertig“: „Es gibt viel Protest, der sinnvoll ist, der gerechtfertigt ist, und der, wenn man den Zustand unserer Erde ansieht, nötig ist.“

Er selbst sehe die Politik als Handlanger für RWE. Er wünsche allen KollegInnen im Einsatz, dass sie heil nach Hause kämen. „Und dass in den Köpfen derer, die diese Welt lenken, endlich Vernunft einkehrt.“

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