Wegen zu starker Präsenz der AfD: SPD führt Schichtdienst ein

Fraktionschefin Andrea Nahles geht gegen dünn besetzte Sitzreihen im Bundestag vor. Sie verdonnert Abgeordnete ihrer Partei zu mehr Präsenz im Plenum.

Andrea Nahles steht vor leeren Sitzen im Bundestag

Kann die leeren, blauen Sitze ihrer Fraktion nicht mehr sehen: Andrea Nahles Foto: dpa

BERLIN dpa | „Wir werden sie jagen“, hatte der AfD-Fraktions- und -Parteichef Alexander Gauland am Abend der Bundestagswahl gesagt. Teil dieser Strategie im Parlament sollte von Anfang an die starke Präsenz sein. Die Botschaft: Wir arbeiten, die anderen greifen nur Geld ab. So versuchte die Fraktion in der ersten Zeit, möglichst oft mit allen Abgeordneten präsent zu sein. Die Partei errang bei der Bundestagswahl 12,6 Prozent, im Bundestag hat die Fraktion heute nach zwei Austritten noch 92 Abgeordnete.

Auch wenn die Reihen der AfD im Plenum in vielen Sitzungen inzwischen lichter geworden sind – die Bilder von leeren blauen Bundestagssitzen bei den anderen zeitigen Wirkung.

SPD-Partei- und -Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles will dafür sorgen, dass nach der Sommerpause trotz aller anderen Verpflichtungen sichergestellt ist, dass ihre Partei genug Leute im Parlament hat. Dafür wird ein Schichtdienst für die 153 SPD-Abgeordneten eingeführt, an dem sich alle individuellen Terminplanungen zu orientieren haben.

„Die Landesgruppen werden in drei wechselnde Gruppen eingeteilt: Die jeweils erste Gruppe hat Dienst im Plenum, die zweite Gruppe hält sich in Rufbereitschaft auf und kann nach Alarmierung binnen 15 Minuten das Plenum erreichen, die dritte Gruppe muss nur bei besonderen Anlässen (Hammelsprung, Namentliche Abstimmungen) ins Plenum kommen“, heißt es in dem Beschlusspapier.

Dazu werden nun Dienstpläne mit „Präsenzfenstern“ für jeweils 2,5 Stunden erstellt und drei jeweils rund 50 Abgeordnete starke Gruppen gebildet. Wer seiner Präsenzpflicht unentschuldigt nicht nachkommt, muss mit Sanktionen rechnen.

Union bleibt gelassen

Intern ging es deshalb hoch her. Bis hin zu einem Streit darüber, wer freitags Schichtdienst hat, weil die Bayern zum Beispiel spätestens um 14 Uhr loswollen, um noch gut nach Hause zu kommen. „Fraktionsmitglieder, die diesen Verpflichtungen nicht nachkommen können, haben dies der für Präsenzsicherung zuständigen Parlamentarischen Geschäftsführerin (Dagmar Ziegler) vorher schriftlich mitzuteilen und für Ersatz zu sorgen“, wird betont. Und generell gelte für alle Anwesenheitspflicht bei den Kernzeitdebatten des Bundestages – in der Regel donnerstags und freitags bis 12 Uhr.

In der Union ist so ein Modell bisher nicht geplant. Hier wird auch zu mehr Gelassenheit aufgerufen: Bisher habe die Koalition keine einzige Abstimmung verloren, weil zu wenige Abgeordnete anwesend waren, heißt es. Und oft bleibt außer Acht, wie das Parlament arbeitet. In den 21 Sitzungswochen beginnen die Arbeitstage gegen 8 Uhr und enden selten vor 22 Uhr.

Zweifelsohne sind die Debatten lebendiger und polarisierter geworden, seit die AfD im Bundestag sitzt. Doch jenseits der großen Debatten etwa über Bundeswehreinsätze, den Haushalt oder wichtige Gesetze, bei denen fast alle 709 Abgeordneten anwesend sind, dominieren die Fachdebatten. Zu diesen kommen meist nur die Experten für die jeweiligen Politikfelder. Die anderen Abgeordneten sitzen dann in Ausschüssen, in Gremiensitzungen, treffen Experten, lesen Akten, bereiten Reden und Gesetzesinitiativen vor.

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