Weleda-Managerin über Naturkosmetik: „Ein CO2-Preis greift zu kurz“

Naturkosmetik habe oft einen höheren CO2-Abdruck. Doch für Bettina Wyciok sind auch indirekte Folgen wie das Artensterben und Ausbeutung von Bedeutung.

Ein roter Lippenstift

Hinterlässt nicht nur Abdrücke im Gesicht: Naturkosmetik (in diesem Fall nicht von Weleda) Foto: dpa

taz: Frau Wyciok, wieso warnen Sie vor einem CO2-Preis, der den Treibhausgasausstoß verteuern und so den Klimaschutz voranbringen soll?

Bettina Wyciok: Produkte müssen einen wahren Preis bekommen, aber derzeit denken dabei alle nur an einen Aufschlag für Kraftstoffe, Kohle, Heizöl, also an einen CO2-Preis. Der Ansatz greift zu kurz.

Es wäre doch ein Anfang?

In Naturkosmetik stecken Mineralien, natürliche Heilpflanzen und ätherische Öle. Ein Teil der Rohstoffe kommt aus dem Ausland. Da kann der CO2-Abdruck auch wegen der Transporte mit Schiff und Flugzeug viel größer sein als bei konventioneller Kosmetik, die Bestandteile aus Erdöl, synthetische Farb-, Duft- und Konservierungsstoffe aus dem Labor enthält.

Dann sollten Ökos eher zu konventioneller Kosmetik greifen?

Natürlich nicht. Wer etwas gegen den Klimawandel tut, erledigt nicht gleich alle Pro­bleme auf einmal. Die Artenvielfalt nimmt rapide ab. Das hat auch mit der Erderwärmung zu tun, aber nicht nur. Menschen, Tieren und Pflanzen macht vor allem die intensive Landwirtschaft zu schaffen.

Das ist kein Luxusproblem im Vergleich zum Klimawandel?

Es bringt die Menschheit in Schwierigkeiten, wenn die Natur aus dem Gleichgewicht kommt. Das hat genauso viel Aufmerksamkeit verdient wie der Klimawandel. Die Hersteller von Naturkosmetik sorgen mit ihren Äckern mit Arnika, Ringelblume und sonstigen Heilpflanzen und ihrem Fruchtwechsel dafür, dass Vielfalt erhalten bleibt und nicht überall Mais steht. Wir bezahlen zudem unsere Lieferanten fair, sodass sie sich nicht wie derzeit viele Bauern verschulden müssen. Die sozialen Verwerfungen entlang der herkömmlichen Wertschöpfungsketten sind dramatisch. Ein CO2-Preis gibt aber keinen Anreiz, die Wirtschaft entsprechend umzubauen.

40, leitet das Nachhaltigkeitsmanagement beim Natur­kosmetik­hersteller Weleda.

Ihr Vorschlag?

Wir müssen die externen Kosten umfassender begreifen, auch anderem, scheinbar Kostenlosem einen Preis geben, dem Kapital der Natur, also der Überdüngung von Böden oder der Belastung von Grundwasser, aber auch den sozialen Verwerfungen wie der Verdrängung von Kleinbauern. Unternehmen, die einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, könnten Vorteile bekommen: geringere Mehrwertsteuern für ihre Produkte oder geringere Unternehmensteuern. Es würde schon helfen, wenn Produkte mit einem zweiten, dem wahren Preis, ausgezeichnet würden.

Wie lässt sich der Beitrag zum Gemeinwohl messen?

Es muss Indikatoren geben, wie sich die wirtschaftlichen Aktivitäten und die hergestellten Waren auf Gesundheit, Lebensqualität, Umwelt und soziale Gerechtigkeit auswirken. Dann wird klar, welche Werte verloren gehen. Alle Unternehmen würden angehalten, ihre Produk­tionsprozesse und Produkte zu optimieren. Konventionelle Waren würden im Vergleich zu heute wohl teurer.

Wäre das für die Naturkosmetikbranche von Vorteil, die auch von Kunden lebt, die sich mit teureren Ökoprodukten etwas Luxus gönnen wollen?

Das hat bei Kosmetik nichts mit Öko zu tun, konventionelle Produkte können um ein Vielfaches teurer sein. Es geht darum, dass man die Verantwortung nicht allein den Verbrauchern übertragen kann.

Unterschätzen Sie die Verbraucher?

Naturkosmetik ist gefragt, die Branche wächst. Doch wissen wir aus Umfragen, dass Verbraucher Ökoprodukte gut finden, sich im Laden dann aber oft doch für das konventionelle Produkt entscheiden, das billiger ist. Das ist die berühmte ko­gnitive Dissonanz des Menschen, er trifft einen Entschluss, obwohl er weiß, dass die Alternative vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre. Ohne die Politik geht es nicht.

Warum hört man von der Lobby der Ökokosmetik weniger als von den Ökobauern?

Die Ökobauern sind sehr gut organisiert. Darum sind wir auch in einigen ihrer Verbände Mitglied. Aber wir müssen uns noch viel stärker in den politischen Dialog einklinken. Nur dann wird die Wirtschaft insgesamt mehr Verantwortung übernehmen.

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