Weltbankbericht zu globaler Armut: Die absolute Hälfte

Die weltweite Armut hat deutlich abgenommen, erklärt die Weltbank in einer eigenen Studie. Das wichtigste Millenniumsziel sei bereits erreicht. Attac sieht das anders.

In Simbabwe leben laut UNDP-Statistik (2010) die Ärmsten der Armen. Bild: dpa

BERLIN taz | Diese Nachricht könnte notorische Schwarzseher verunsichern. Zwischen 1981 und 2008 habe die weltweite Armut stark abgenommen, erklärte die Weltbank unlängst in einer neuen Studie. Sowohl der Anteil der sehr armen Menschen an der Bevölkerung als auch ihre absolute Zahl sei in den vergangenen 30 Jahren gesunken.

In ihrer Ende Februar veröffentlichten, bis heute aber wenig beachteten Studie schwingt sich die in Washington ansässige Entwicklungsbank sogar zu der These auf, dass das wichtigste Millenniumsziel bereits erreicht sei. Zur Jahrtausendwende vereinbarten die Vereinten Nationen, den Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen bis 2015 im Vergleich zu 1990 auf die Hälfte zu verringern. Hatte das vielkritisierte Zeitalter der Globalisierung also doch seine guten Seiten?

Die Zahlen der Weltbank-Statistik sind ziemlich eindeutig. Während 1981 noch 52 Prozent der Weltbevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze lebten, also rechnerisch weniger als 1,25 Dollar pro Tag und Kopf zur Verfügung hatten, waren es 2008 nur 22 Prozent. Auch gegenüber 1990 sank der relative Anteil der Armen um rund die Hälfte. Auf Basis dieser Berechnung wurde das Millenniumsziel bis 2008 tatsächlich erreicht.

Und wie sieht es bei den absoluten Bevölkerungszahlen aus? 1981 lebten insgesamt 1,94 Milliarden Menschen unter der Armutsgrenze, 2008 waren es noch 1,29 Milliarden. Dieser Fortschritt ist vor allem in den Regionen Ostasien und China festzustellen, aber auch in Lateinamerika, Nordafrika und dem Mittleren Osten leben heute weniger arme Menschen als früher.

Wenn man China rausrechnet

Die Schattenseite dieser Entwicklung liegt in Südasien, wo die Zahl der Armen leicht um 2 Millionen auf 570 Millionen stieg, und vor allem in den afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Dort wohnten 2008 mit 386 Millionen viel mehr Arme als 1981, da waren es 204 Millionen.

An diesem Punkt setzt denn auch die Kritik der globalisierungskritischen Organisation Attac an, die seit Ende der 90er Jahre die weltweite Ungerechtigkeit anprangert. „Die Fortschritte sind im Wesentlichen auf China zurückzuführen“, sagte Attac-Koordinatorin Jutta Sundermann gegenüber der taz.

Wenn man China herausrechnet, hat die Zahl der absolut Armen zwischen 1981 und 2008 tatsächlich nicht abgenommen, sondern ist leicht gestiegen. Vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung bleibt der Befund des relativen Rückgangs der Armut allerdings auch ohne China bestehen.

Außerdem bemängelt Sundermann, dass die Weltbank-Statistik nichts darüber aussage, wie die Finanz- und Hungerkrise seit 2008 gewirkt habe. „Die Zahl der Hungernden ist über 1 Milliarde Menschen gestiegen“, sagte Sundermann. Die Weltbank-Forscher vermuten dagegen, dass selbst die Nahrungsmittelkrise den Trend zu weniger Armut nicht habe stoppen können – wobei ihre Datenbasis, wie sie selbst einräumen, an diesem Punkt dürftig ist.

Abstand zwischen Lichtenstein und Simbabwe

Auch die Weltbank sieht die Entwicklung nicht nur positiv. Sie weist darauf hin, dass selbst die geringere Zahl von 1 Milliarde armer Menschen noch viel zu viel sei. Und die Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen (UNDP) merkt in ihrem Bericht 2010 an, dass der Abstand zwischen Liechtenstein, dem reichsten Land der Welt, und Simbabwe, dem ärmsten, in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zugenommen habe. So betrachtet, wird die Welt nicht besser, sondern ungerechter.

Als Erfolg des neoliberalen Zeitalters will Sundermann die Zahlen keinesfalls verstanden wissen. Fortschritte wie beim Anti-Hunger-Programm in Brasilien seien gerade nicht durch den Rückzug des Staates erreicht worden. Auch Ulrich Post von der Deutschen Welthungerhilfe betont die zunehmend positive Rolle von Regierungen in Entwicklungsländern.

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