Weser-Kurier wird Fahrrad-Verleiher: Zeitung sattelt um

Mit „WK Bike“ hat der Bremer Weser-Kurier ein Fahrradverleihsystem installiert. Dafür hat er knapp 50.000 Euro von der Wirtschaftsförderung geschenkt bekommen.

Leihräder vor einer Hauswand

Gesponserte Leihräder: 450 „WK-Bikes“ soll es bis Jahresende in Bremen geben Foto: Karolina Meyer-Schilf

BREMEN taz | 325 neue Leihfahrräder sind seit knapp zwei Wochen auf Bremens Straßen unterwegs. Unter dem Namen „WK Bike“ hat der Weser-Kurier (WK) das System des bundesweit größten Anbieters „Next Bike“ in die Stadt geholt – als, so schreibt es das Presse-Marketing-Portal DNV online, „neue Erlösquelle im Werbe- und Vertriebsmarkt.“

Der WK hat die Räder gekauft, die App zur Lokalisierung der Fahrräder und die dazugehörige Plattform zur Buchung und Abrechnung stellt Next Bike zur Verfügung. Und: Der WK hat für sein neues Unternehmen 49.000 Euro „Marketingzuschuss“ von der Wirtschaftsförderung Bremen erhalten.

Für gerade einmal zwei Monate hatte bis Anfang Juni mit dem Anbieter „Lime Bike“ bereits ein anderer Betreiber versucht, ein Leihfahrradsystem in der Stadt zu installieren (taz berichtete) – nach eigenen Angaben scheiterte das Unterfangen an einer Sondernutzungsgebühr in Höhe von rund 160 Euro pro Monat für die nicht stationsgebundenen Leihräder.

Diese recht schwammig erscheinende Begründung für den Rückzug des Anbieters erhielt einen noch merkwürdigeren Anstrich durch die Tatsache, dass Oliver Steffens, zuständig für das operative Geschäft von Lime Bike, zuvor bei Next Bike gearbeitet hat – und vor dem Ende von Lime Bike wieder zu Next Bike oder genauer: zu WK Bike wechselte. Dort ist er jetzt Werkstattleiter.

Tim Cordßen, Sprecher des Wirtschaftssenators

„Wir haben ja glücklicherweise keine freie, sondern eine soziale Marktwirtschaft“

Mit der Sondernutzungsgebühr will Bremen verhindern, was in anderen Städten für viel Unmut sorgt: Vermüllung durch haufenweise kaputte Leihfahrräder, die den Stadtraum verstopfen und für die sich niemand zuständig fühlt. Deswegen favorisiere man auch ein System mit festen Stationen für die Leihräder, heißt es dazu beim Verkehrsressort. Und das sei bei WK Bike geplant.

Bloß: Die vorerst geplanten 40 Stationen für die WK-Bikes gibt es noch gar nicht. Erst zwei Stück sind installiert: vor dem WK-Verlagshaus und auf einem privaten Gelände am Universum. Die Sondernutzungsgebühr für die restlichen Fahrräder muss WK Bike freilich ebenfalls zahlen – dennoch ist der Verleiher mit einem System an den Start gegangen, das man in Bremen eigentlich nicht favorisiert.

Und es ist fraglich, ob WK Bike bis Ende des Jahres die geplante Anzahl an Stationen tatsächlich eingerichtet haben wird: „Feste Stationen für die Fahrräder bei der Stadt Bremen zu beantragen und zu bekommen, ist quasi unmöglich“, sagt Oliver Steffens. Erst vor wenigen Tagen habe der Verkehrsausschuss des Beirats Mitte eine Leihfahrrad-Station am Bahnhof abgelehnt, „mit dem Argument, der Bahnhof stünde ja ohnehin bereits voller Räder“.

Alternative abgelehnt

Ganz so, sagt Hellena Harttung, Leiterin des Ortsamts Mitte, sei das nun nicht gewesen: „Wir begrüßen sogar ausdrücklich, dass es ein vernünftiges Leihfahrrad-System in Bremen gibt.“ Bloß habe WK Bike als Station einen Bereich vor dem Übersee-Museum haben wollen, wo ohnehin bereits Fahrradbügel stehen: „Die werden gut genutzt und müssten der Station weichen – damit waren wir nicht einverstanden.“ Als Alternative sei WK Bike ein anderer Platz um die Ecke vorgeschlagen worden. Der sei aber wiederum abgelehnt worden.

Es sei in der Tat „nicht so einfach“ mit der Einrichtung der Stationen, sagt David Koopmann, Marketingleiter beim Weser-Kurier, „aber ich denke, das ist dennoch machbar.“ Sollte es bis Ende des Jahres nicht gelungen sein, für die bis dahin 450 Räder die geplanten Stationen einzurichten, „dann wird es statt dessen virtuelle Stationen geben, das macht ja nichts“, so Koopmann.

Kooperationspartner von WK Bike sind die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) und „Bike it!“, ein Programm der Wirtschaftsförderung Bremen, das Bremen für den Fahrradtourismus attraktiver machen soll. Tim Cordßen, Sprecher des Wirtschaftssenators, sagt: „WK Bike hat deswegen den Marketingzuschuss erhalten, weil wir ein Interesse daran haben, dass wir ein gut funktionierendes Leihradsystem bekommen.“

Werbung in eigener Sache

Der Weser-Kurier sei ein Anbieter, der vor Ort sei „und natürlich auch ein eigenes Interesse daran hat, dass die Räder in Ordnung gehalten werden und dass das Fahrradverleihsystem funktioniert – schließlich steht er mit seinem eigenen Namen direkt in der Stadt dafür ein“. Bremen habe hingegen, so Cordßen, „kein Interesse an einer inflationären Flutung anderer Anbieter, die vor Ort nicht greifbar sind.“

Auf die Frage, ob es mit dem Prinzip der freien Marktwirtschaft vereinbar sei, einem privaten Wirtschaftsunternehmen, das die Stadt nun ebenfalls „flutet“, und zwar mit Werbeträgern und anhängenden Marketingaktionen in eigener Sache, auch noch nicht rückzahlungspflichtige Fördergelder zukommen zu lassen, erklärt Cordßen: „Wir haben ja glücklicherweise keine freie, sondern eine soziale Marktwirtschaft.“

Und auf die Frage, ob es nicht sinnvoller sei, ein staatliches Projekt wie Bike it! mit einem stadteigenen Verleihsystem auszustatten, sagt er: „Dann würden wir ja in ein wirtschaftliches Risiko gehen. Wenn es private Anbieter gibt, die dieses Risiko eingehen wollen, ist das doch gut!“

Gut für den Weser-Kurier

Gut ist das vor allem für den Weser-Kurier: Denn der hat staatliches Geld für die Einrichtung eines Betriebes erhalten, mit dem er seine Stellung in Bremen weiter festigen kann. So können beispielsweise WK-AbonnentInnen ab September eine halbe Stunde am Tag kostenlos mit WK Bike fahren.

„Wir sind neben Dresden die einzige Stadt in Deutschland, die dieses Verleihsystem privatwirtschaftlich macht“, sagt David Koopmann. „Woanders macht das zum Beispiel die Stadt in Kooperation mit dem ansässigen Betreiber des ÖPNV.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.