Whitney-Biennale in New York: Ein gewaltiges Spektakel

Nicht nur entlang eines Werkes von Dana Schutz entzündet sich auf der Whitney-Biennale Kritik. Es geht um Gewalt, wohin man auch blickt.

Besucher fotografieren ein Kunstwerk

Ein Werk von Larry Bell im Whitney Museum Foto: dpa

Die Whitney-Biennale wird in den Vereinigten Staaten gerne als Indikator gesehen, welche ästhetischen Debatten und gesellschaftlichen Themen in der nahen Zukunft anstehen und wichtig werden.

Eher unfreiwillig erfüllt sie diese Rolle nun im Übermaß. Bei der Eröffnung am 17. März noch mit einhelligem Kritikerlob überhäuft, geriet sie wenig später über ein Gemälde der Ausstellung in die Kritik, die noch immer anhält.

Am Eröffnungswochenende versuchte der Künstler Parker Bright, bekleidet mit einem T-Shirt, auf dem zu lesen war „Black Death Spectacle“, die Sicht auf Dana Schutz’ „Open Casket“ zu verstellen. Schutz’ Bild nimmt die Fotografie des von tödlichen Schlägen völlig entstellten Emmett Till auf und abstrahiert sie malerisch.

Der 14-Jährige war 1955 in Mississippi ermordet wurde, nachdem ihn eine weiße Frau lügnerisch beschuldigt hatte, sie sexuell belästigt zu haben.

Die britische Künstlerin Hannah Black forderte in einem offenen Brief sogar, das Gemälde aus der Ausstellung zu entfernen und zu vernichten. Es gehe nicht an, so schrieb sie, dass eine weiße Person Schwarzes Leid in Profit und Unterhaltung ummünze, auch wenn das eine lange Tradition habe. Das Bild hängt noch immer.

Jordan Wolfsons Virtual-Reality-Arbeit „Real Vio­lence“

In einem ausführlichen Interview auf der Online-Plattform Artnet News sagt Christopher Lew – gemeinsam mit Mia Locks Kurator der diesjährigen Ausgabe –, er begrüße die so leidenschaftlich geführte Debatte um das Bild, habe aber kein Verständnis für die Forderung nach seiner Entfernung und Vernichtung.

Tatsächlich interessierten ihn und seine Co-Kuratorin bei der Vorbereitung der Biennale, so Lew, wie Künstler auf den Verlust an sozialer Infrastruktur reagieren. Wie sie den Mangel an zivilgesellschaftlichem Engagement seitens des Staates thematisieren, der sich diesen Verpflichtungen mehr und mehr entziehe. Daher wählten sie auch ein weiteres Werk Dana Schutz’ aus, das nun die Besucher im fünften Stock begrüßt.

Er ist links, deutsch, ein Antifa – und zieht in den Krieg nach Syrien. Er hört die Raketen, schießt, will nicht nach Hause. Das Protokoll eines Kämpfers lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. April. Außerdem: Vor der Wahl in Frankreich wirkt Emmanuel Macron wie die letzte Hoffnung Europas. Wie links ist er? Und: Mathilde Franziska Anneke und Karl Marx kannten sich. Sie hat so radikal gedacht, geschrieben und gehandelt wie er. Warum erinnert sich niemand an sie? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Das Bild zeigt dicht zusammengedrängte Menschen in einem Aufzug, die sich gegenseitig Beine und Arme auszureißen scheinen, aus schierer Wut über die bedrückende Enge. Das Bild, das vielleicht nur das Gedränge im Kunstbetrieb zum Thema hat und die Brutalität, die es braucht, dort nach oben zu kommen, betrachteten sie im Wahljahr 2016 als Metapher der amerikanischen Gesellschaft insgesamt.

Überhaupt haben sehr viele Biennale-Arbeiten Gewalt zum Motiv. Und viele Besucher argumentieren, nicht Dana Schutz’ Gemälde müsse entfernt werden, sondern Jordan Wolfsons Virtual-Reality-Arbeit „Real Vio­lence“ (2017). Setzt man die Cyberbrille auf, sieht man sehr realistisch, wie der Künstler auf der Straße einen Mann mit dem Baseballschläger offenbar zu Tode prügelt und dabei mit einer Kinderstimme ein hebräisches Gebet singt.

Auch wenn in einem Klima zunehmenden Antisemitismus damit nur das Gefühl von Verletzlichkeit in Wut und Aggression umgedreht wird, zeigt die Arbeit ganz generell, woher der Wind weht.

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