Wissenschaftspolitik im Argen: Unis forschen an den Menschen vorbei

Umweltverbände fordern bei Forschungsprojekten mehr Nähe zur Gesellschaft. Offenbar versickern Gelder in Projekten, die niemand benötigt. Die Folge ist Ineffizienz.

Ein Politikum? Forschungsneutronenquelle FRM II an der TU München. Bild: dapd

BERLIN taz | Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat ein neues Thema entdeckt: die Wissenschaftspolitik. Über seine 20 Arbeitskreise, in denen Wissenschaftler ehrenamtlich zu Umwelt- und Wirtschaftsthemen arbeiten, sei der BUND gut mit der Universitätslandschaft verknüpft. Seit einiger Zeit würde immer deutlicher, dass "dort vieles im Argen liegt", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger am Donnerstag in Berlin.

Demnach haben Universitäten und Institute ihre Forschung nicht auf den eigentlichen Bedarf einer Gesellschaft ausgerichtet, die auf vielen Feldern einen grundlegenden Wandel organisieren muss.

Als Beispiel nennt der BUND die Mobilitätswende: Die Bundesregierung fördere die Erforschung von Elektromobilität mit Hunderten Millionen Euro und vernachlässige die Forschung zu Konzepten, mit denen sich Verkehr vermeiden lässt. Ähnlich sehe es im Bereich Energie aus. Auch dort stünden technische Fragen im Vordergrund, wie die Forschung zu Erzeugungstechnologien oder einem "kommunizierenden Stromnetz, dem Smart Grid. Wie sich die Energieversorgung hingegen Dezentralisieren oder schlicht Energie sparen lässt, sei nur am Rande Thema.

Die Wissenschaft müsse das wirtschaftliche Wachstum tragen - noch immer bilde diese Überzeugung die Grundlage für die Wissenschaftspolitik, kritisiert Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Umwelt, Klima, Energie. Dies zeige sich etwa in der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern, welche die Fixierung auf Technologieforschung befördert habe.

Geld bestimmt die Richtung, nicht der Nutzen

"Keine der Eliteunis hat das Thema Nachhaltigkeit in ihren Zukunftskonzepten verankert", so Schneidewind. Dies verstärke die Tendenz, dass die Wissenschaftspolitik vor allem von ökonomischen Interessen gesteuert werde. Forschungsthemen müssten aber pluralistisch, unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure, festgelegt werden. Wissenschaftler, die sich mit Nachhaltigkeitsthemen befassten, fielen oft durch die Raster der Universitäten, sagt Schneidewind.

Der BUND fordert, mehr Geld in interdisziplinäre Forschung zu investieren und "die Sprachlosigkeit zwischen den Fachgebieten" aufzuheben. Dazu sei eine Umschichtung bestehender Mittel notwendig. Eine solche Umschichtung ist laut Weiger auch im BUND selbst geplant, wolle der sich künftig doch intensiver mit Wissenschaftspolitik auseinandersetzen und dafür auch Geld und Personal bereitstellen.

Das Thema liege in der Luft, so Schneidewind. Gerade laufe das "Wissenschaftsjahr der Nachhaltigkeit" des Bundesforschungsministeriums an. Am 8. Februar will Ministerin Annette Schavan (CDU) dessen Agenda in Berlin vorstellen, zwei Tage zuvor diskutiert der Verbund für Nachhaltige Wissenschaft, dem etwa die Uni Lüneburg und Forschungsinstitute wie das Öko-Institut angehören, entsprechende Herausforderungen des Wissenschaftssystems.

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