Wolfsburgs ereignislose Saison : Schnuppern an der Euro-League

Die Saison des VfL Wolfsburg war desaströs. Auch nach dem 3:1 gegen Werder. Felix Magath fordert jetzt die EM-Nominierung des Doppeltorschützen Patrick Helmes.

Bestes und wohl letzes Spiel für den Wolfsburger Hasan Salihamidzic, hier beim 1:0. Bild: dpa

Die Spieler hüpften, die Anhänger tobten, der Torwart hing am Zaun: Das 3:1 gegen Werder Bremen hat für den VfL Wolfsburg erstaunlich große emotionale Rendite abgeworfen. Sagen wir es klipp und klar: Soviel Stimmung war nie in dieser Saison wie nach diesem, mutmaßlich tabellarisch bedeutungslosen letzten Heimspiel der Saison. Das ist grandios für einen lauschigen Nachmittag, aber desaströs für die Saison.

Sicher kann man 2011/12 bei Besitzer Volkswagen offiziell als Fortschritt bilanzieren, wenn man den knapp vermiedenen Abstieg des Vorjahres mit dem jetzigen Platz 8 und Schnuppern an der Euro League vergleicht. Doch auch bei hartnäckigem Grübeln will einem kein Spiel in dieser Saison einfallen, kein Tor, kein Ereignis, das in der kollektiven Erinnerung bleiben würde.

Jedenfalls nicht positiv. Das wird auch der emotionale Abschied des langjährigen VfL-Ersatztorhüters und künftigen Teambetreuers Andre Lenz in der Nordkurve nicht schaffen. Nicht der starke Auftritt des Doppeltorschützen Patrick Helmes. Und auch nicht der grandiose Spiel des Matchwinners Hasan Salihamidzic, auch wenn es sein letzter beim VfL gewesen sein sollte.

Salihamidzic kam nach 20 Minuten für den verletzten Dejagah, schoß das 1:0 (40.) und machte sein bestes Spiel im VfL-Dress. „Überragend“, fand VfL-Chef Felix Magath, weshalb er ihn kurz vor Schluss wieder austauschte. Nicht zur Strafe, wie im Saisonverlauf geschehen, sondern als Geste des Dankes.

Positive Imagebildung

Weil man beim VfL selbstverständlich auch Magath nicht oft genug danken kann, dass er zurückgekommen ist, hat man ihm auch im letzten Stadionheft der Saison wieder Kränze geflochten. Diesmal ist Herausgeber Magath zwar nur zwölfmal abgebildet, weshalb die kursierenden Honecker-Neues Deutschland-Vergleiche völlig abwegig sind. Dafür sieht man ihn einmal mit schwarzem Baby auf dem Arm („Danke, Felix!“); eine Form der positiven Imagebildung die sonst eigentlich nur in verzweifelten Fällen wie etwa bei Veronica Ferres angewandt wird.

Magath sieht sich und den VfL eineinviertel Jahre nach seiner Rückkehr und nach einem kostenintensiven Trial-and-Error auf einem guten Weg. Das Team könne „in der Form in der Euro League spielen“. Damit es das auch wirklich kann, baut er auf seinen ehemaligen Spieler und Co-Trainer Krassimir Balakow. Der spielt mit Absteiger Kaiserslautern in Hannover und muss dort punkten, damit Wolfsburg - bei einem Sieg in Stuttgart - an 96 vorbei auf den zum Europapokal berechtigenden 7. Platz hüpfen könnte. Balakow sei so ein Siegertyp, findet Magath, dass er ihn nicht mal anrufen müsse. „Der weiß auch so, was er zu tun hat.“

Übrigens hat auch Werder Bremen noch eine Chance auf Europa. Falls man gegen Schalke gewinnt - und diverse andere Dinge eintreten. Aber die ist so minimal, dass selbst Spieler Sebastian Prödl überrascht war, als er davon erfuhr. „Ein Spiegelbild der Saison“ nannte Prödl die Partie, „stark angefangen und dann stark nachgelassen“.

Symbolischer Verkauf

In der Tat hat Werder eine gute Vorrunde (29 Punkte) mit einer sehr schlechten Rückrunde (13 Punkte) gekoppelt, so dass die Perspektive auf einen Weg zurück in die nationale Spitze oder gar Champions League wieder kleiner geworden ist. Dem am Wochenende bestätigten Verkauf von Marko Marin zum Champions League-Finalisten Chelsea kann man Symbolik abgewinnen: Marin war der teuerste Einkauf Werders (8,5 Millionen Euro), aber schlug nicht annähernd so ein wie Klaus Allofs' perfekte Einkäufe (Klose, Micoud usw.) der Vergangenheit, die die großen Werder-Jahre möglich machten.

Zwar sagt Trainer Thomas Schaaf, man werde „sicher wieder eine gute Mannschaft zusammenbekommen“. Aber das Problem ist - so sah es jedenfalls in Wolfsburg aus - dass man mit oder ohne Marin keine gute mehr hat. Schon gar nicht, wenn Pizarro nicht ins Spiel kommt. Werders und Schaafs Ansprüche an ihr Fußballspiel, die ein goldenes Jahrzehnt begründet haben, wirkten in der VW-Arena anachronistisch, angesichts der Mediokrität dieser Mannschaft und vor allem angesichts ihres fatalen Umschaltspiels nach hinten. Mehr als Rosenbergs zwischenzeitlicher Ausgleich (45+1) war nicht drin.

Es ist eines der Rätsel des Fußballs, dass ein Spieler wie Patrick Helmes zeitweise so limitiert agiert - und im selben Spiel ein klinischer Vollstrecker ist.

Seine Treffer zum 2:1 (66.) und 3:1 (89.) waren derart beindruckend, dass ausgerechnet Magath - der lange an einem VfL ohne Helmes arbeitete - sich nun eine EM ohne Helmes nicht mehr vorstellen kann. „An Patrick Helmes führt für Löw kein Weg vorbei“, sagt er. Und einmal im Vorwärtsgang behauptete er gar, dass Wolfsburg längst für Europa qualifiziert wäre, wenn nur Helmes nicht beim Spiel in Hannover ausgefallen wäre. Ja, so ist Fußball. Und weil Fußball ist, sang die Nordkurve am Ende: „Oh, wie ist das schön“. Und dass man sowas lange nicht mehr gesehen hätte.

Das stimmt. Und genau das ist das Problem der Saison des VfL Wolfsburg.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.