ZDF-Serie „Ripper Street“: Cool Britannia

Die BBC dreht den Trend um. Statt wie bei „Sherlock“ Vergangenes ins Heute zu holen, erzählt sie den viktorianischen Jack the Ripper neu.

Hart zur Sache geht's in der Ripper Street. Bild: ZDF/Jonathan Hession/Tiger Aspect

Die Engländer hält man ja gern für notorische Traditionalisten, da verwundert es nicht, dass sie ihr historisches Crime-Erbe auch im Fernsehen pflegen. Sie machen es auf ihre ganz eigene Weise: Cool Britannia! Alle lieben Benedict Cumberbatch als nerdigen Smartphone-„Sherlock“, der für die BBC heute lieber mal auf dem Motorrad statt in der Kutsche durch London jagt.

Der Dreh, das Geschehen in die Gegenwart zu holen, war nicht ganz neu, das wurde vorher etwa auch schon an Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde ausprobiert („Jekyll“, BBC), oder an Jack the Ripper („Whitechapel", ITV). Weil man eine gute Idee auch nicht überreizen soll (und weil man seinem eigenen Erfolgsprodukt – „Sherlock“ – nicht das Wasser abgraben wollte?), musste die BBC für eine Neuinterpretation des Ripper-Stoffs also einen anderen Weg einschlagen.

„Ripper Street“, am vergangenen Montag schon auf ZDFneo zu sehen, ab Freitag auch im Hauptprogramm, spielt im Jahr 1889. Der Ripper hat seine Mordserie an den Prostituierten Whitechapels bereits verübt, die Morde sind aber noch nicht vergessen. Letzteres wurmt Inspector Reid (Matthew Macfadyen, „Stolz und Vorurteil“), der den Ripper nicht hat fassen können, er würde gern einen Schlussstrich ziehen: „Wir haben getan, was wir konnten. Mit allen Mitteln, die uns erlaubt waren, und darüber hinaus. Jetzt können wir nur noch hoffen, dass er fort ist. Und fort bleibt. Ich werde ihm nicht länger mein Leben opfern.“

Da kommt es höchst ungelegen, wenn nun ein anderer Mörder die clevere Idee hat, sein Opfer als Ripper-Opfer auszugeben, um die Strafverfolger in die Irre zu führen. Reid durchschaut das schnell, aber er muss den Mörder bald überführen, sonst wird die sensationsgierige Londoner Presse eine neue Ripper-Panik schüren. Dazu sitzt Reid noch ein Vorgesetzter mit Ripper-Obsession im Nacken: „Er lebt noch. Er atmet die gleiche Luft wie wir. Die Straßen verlangen Ihre Wachsamkeit!“

Bewährtes Rezept

Diese Straßen der Londoner Elendsviertel sind, ebenso wie die Kostüme, sorgfältig und mit Sinn für Details ausgeführt. Da hat die BBC nicht gespart. Und die, zumal ziemlich schmuddelige, historische Kulisse führt auch keineswegs in den Eskapismus, vielmehr wird die Gegenwart in der Vergangenheit gespiegelt – das bewährte „Mad Men“-Rezept. Wie wir heute wähnen sich Reid und seine Zeitgenossen in einem Umbruch, es gibt neue Informationstechnologien, sie müssen damit umgehen lernen, sie wissen, in ein paar Jahren wird die Welt eine andere sein, sie wissen nicht, welche.

Es nimmt sich geradezu niedlich aus, wie ein junger Polizist an den Komplikationen eines Schreibtelegraphen verzweifelt, während ein Ungeduldiger Reid hinter ihm steht: „Na mach schon, Junge, das ist die Zukunft!“ Das Wort Zukunft fällt in der ersten Folge der Serie ziemlich oft. In dem Fall geht es, wie sich zeigt, also nicht um den Ripper, sondern um „die Zukunft der Pornografie“, um Negative, die die Ermittler erst einmal staunend als bewegte Bilder, als Film erkennen müssen. Und dass Snuff-Filme so alt sein sollen wie die Filmgeschichte, ist natürlich eine etwas gewagte Drehbuchidee, aber andererseits eine Kreativleistung, die der menschlichen Spezies in ihrer Begabung zur Bösartigkeit durchaus zuzutrauen wäre.

Dem Helden hat die BBC zwei zuverlässige Helfer an die Seite gestellt: den im Wortsinne schlagfertigen Sergeant Drake (Jerome Flynn, „Game of Thrones“) und – ohne Forensiker kann heute offenbar auch eine historische Krimiserie nicht auskommen – den ehemaligen Arzt der US Army, Captain Jackson (Adam Rothenberg). Beide Sidekicks sind einander in herzlicher Abneigung zugetan, was natürlich als Topos ein guter alter Bekannter des seriellen Fernsehens ist. Das gilt auch für andere Elemente und Klischees, die bedient werden. Allerdings mit – aus deutscher Perspektive, das deutsche TV-Programm vor Augen – beneidenswert souveräner Lässigkeit (Cool Britannia!).

Die erste Folge „Ripper Street“ ist extrem vielversprechend. Das ZDF zeigt acht von insgesamt sechzehn Folgen, die die BBC produziert hat. Nach der zweiten Staffel war Schluss, die Quote zu schlecht. Und trotzdem wird der Ripper wieder umgehen, früher oder später, zumindest auf den Bildschirmen.

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