Zentralafrikanische Republik: EU-Schutztruppe für Bangui?

Während ein Afrikagipfel über die politische Zukunft des Landes spricht, beginnen in Brüssel erste Beratungen über ein mögliches Eingreifen der EU.

Anti-Balaka-Milizen mobilisieren in der Nähe des Flughafens von Bangui: Sie wollen, dass Präsident Michel Djotodia sofort zurücktritt und im Exil bleibt. Bild: ap

BERLIN taz | Eine EU-Eingreiftruppe, die das französische Militär entlastet, und eine Allparteienregierung, die einen Friedens und Versöhnungsprozess einleitet – mit diesen Rezepten soll der ausufernde Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik eingedämmt werden. Parallel zu ersten Beratungen auf EU-Ebene über die Entsendung europäischer Truppen nach Bangui begann am Donnerstagmittag in Tschads Hauptstadt N’Djamena ein Regionalgipfel über die politische Zukunft des Landes.

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die mit 1.600 Soldaten die schlagkräftigste Truppe in Bangui unterhält, hatte zuvor erheblichen Druck ausgeübt, um den glücklosen zentralafrikanischen Übergangspräsidenten Michel Djotodia zum Rücktritt zu bewegen. Djotodia ist Führer der muslimisch dominierten Séléka-Rebellen, die im März 2013 in Bangui die Macht ergriffen und seitdem vor allem Chaos angerichtet haben. Er und seine Kollegen teilen die Frankophilie des oppositionellen Polit-Establishments in Bangui nicht. Im Pariser Exil trommelt der von Séléka gestürzte Präsident François Bozizé vernehmlich für seine Rückkehr an die Macht.

Doch einen Rücktritt lehnt Djotodia strikt ab. Sein Präsidialamt, das sich ansonsten zur Krise des Landes kaum äußert, dementierte offiziell einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, der sich auf ungenannte französische Quellen berief, wonach Djotodia beim Gipfel in N’Djamena seinen Rücktritt einreichen werde. Solche „Insinuierungen“ würden nur dazu führen, „das zentralafrikanische Volk zum Hass anzustacheln“, erklärte das Präsidialamt in Bangui.

Auf dem Gipfel in N’Djamana sollte nun Berichten von vor Ort zufolge lediglich eine Verkürzung der derzeit bis 2015 laufenden Übergangszeit bis zu Neuwahlen beschlossen werden. Im Gespräch ist auch die Variante einer neuen Übergangsregierung mit Vertretern aller Fraktionen, die anders als die derzeitige Übergangsregierung auch tatsächlich tagt und regiert.

Zentralafrikas Parlament nach Tschad geflogen

Nachdem dazu aber keine konsens- und beschlussfähige Vorlage erarbeitet werden konnte und die zentralafrikanischen Vertreter geltend machten, ein Regionalgipfel könne nicht im Alleingang über die Regierung ihres Landes entscheiden, griffen die tschadischen Gastgeber zu einem ungewöhnlichen Schritt. Sie schickten ein Flugzeug nach Bangui, um das komplette 135-köpfige zentralafrikanische Übergangsparlament - das seit Monaten nicht mehr zusammengetreten ist - nach Ndjamena zu fliegen und an den Gipfelberatungen teilzunehmen.

Laut der geltenden Übergangsverfassung der Zentralafrikanischen Republik ist allein das Übergangsparlement befugt, einen Übergangspräsidenten zu bestimmen. Ob das Treffen der eingeflogenen Parlamentarier am Gipfeltagungsort im Tschad eine außergewöhnliche Parlamentssitzung ist, die eine solche Entscheidung treffen könnte, dürfte fraglich sein - zumal einige Parlamentarier inzwischen zu den Flüchtlingen in Bangui gehören und gar nicht mitfliegen konnten.

Lokale Quellen in Bangui berichteten von unüblichen Truppenbewegungen in der Nacht zum Donnerstag, und am Freitag früh errichteten christliche oppositionelle Milizen in Bangui Straßensperren und verlangten einen Rücktritt Djotodias noch im Laufe des Tages. Ein britischer Journalist vor Ort berichtet, die Demonstranten würden die Ntionalhymne singen und von einem Marsch auf den Flughafen reden, um zu verhindern, dass Djotodia aus dem Tschad zurück ins Land kommt.

Viele Beobachter glauben aber, dass ein Sturz der Séléka-Regierung den christlichen Oppositionsmilizen als Fanal dienen würde, die verbleibenden Muslime in Bangui zu massakrieren, da diese dann vollends schutzlos wären. Über 500.000 Menschen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung Banguis, ist bereits vor Angriffen gegnerischer Milizen auf der Flucht. 100.000 davon leben auf dem Flughafen.

EU erwägt bis zu 1.000 Soldaten in Bangui

Auf EU-Ebene zirkuliert nun der Vorschlag, eine 700 bis 1.000 Mann starke EU-Truppe nach Bangui zu schicken, die in erster Linie den Flughafen und die dortigen Flüchtlinge schützen solle. Dies würde das französische Militär entlasten. Eine zweite Variante für eine EU-Truppe wäre, die Straßen von Bangui nach Kamerun zu schützen. Dafür wären aber mehr Soldaten notwendig, und es wäre ein riskanterer Einsatz mit längerer Vorbereitungszeit.

Die beiden Vorschläge stehen in einem Konzeptpapier der EU-Außenpolitikbeauftragten Catherine Ashton, über das am Freitag auf Botschafterebene gesprochen werden soll. Eine endgültige Entscheidung soll am 20. Januar auf Außenministerebene fallen. Eine deutsche Truppenbeteiligung hat die Bundesregierung ausgeschlossen.

Die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge am Flughafen wird derweil aufgestockt. Nachdem Ärzte ohne Grenzen (MSF) die volle Wiederaufnahme ihrer aus Sicherheitsgründen eingeschränkten medizinischen Versorgung ankündigte, hat auch das UN-Welternährungsprogramm WFP seine vor Weihnachten eingestellten Lieferungen von Lebensmitteln und Schutzplanen neu begonnen.

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