Zittau will Kulturhauptstadt werden: Ein Fluss, drei Fahnen, eine Region

Das Dreiländereck bei Zittau ist das Herz Europas. Bürgermeister Thomas Zenker will seine Stadt zur Kulturhauptstadt machen.

Menschen stehen in einem See

Die Bürgermeister der Nachbarstädte Hrádek nad Nisou und Zittau beim Anbaden Foto: Pawel Sosnowski

HRÁDEK NAD NISOU/ZITTAU taz | Thomas Zenker stapft mit festen Schritten auf den Kristýna-See zu. Hemd, Weste, Sonnenbrille – eine Mischung aus Sonnyboy und Amtsperson kommt da gelaufen, Tüte in der Hand. „Ich habe ein Wechselhemd eingesteckt“, sagt der Oberbürgermeister von Zittau, „ein Handtuch auch.“ Zwei Staatsgrenzen hat er auf dem kurzen Weg hierher überquert. Zwischen den Hunderten Ausflüglern, die am Strand spazieren, wirkt er selbst, als hätte er Urlaub.

Doch Zenker hat in Hrádek nad Nisou einen Auftritt. Die Sonne gleißt, aber ein kalter Wind bläst von den Bergen herüber und peitscht den See auf. Acht Grad im Wasser, 16 in der Luft, an Baden ist nicht zu denken.

Von wegen! Hrádeks Bürgermeister Josef Horinka hat sich bereits freigemacht und präsentiert seinen EU-blauen Schwimmanzug, darüber Schlips und Jackett. Und auch Zenker hat die Weste abgelegt. „Ahoj!“, das tschechische Hallo, ist immer wieder zu hören. Wenig später werfen sich die Oberhäupter in die Wellen.

Was folgt ist ein karnevalistischer Kampf gegen einen widerspenstigen Wassergeist, der unter Beifall einen Schlüssel herausrücken muss. Horinka taucht das erbeutete Stück in das Nass, einmal umdrehen – schon ist die Badesaison am Kristýna-See, einem ehemaligen Tagebau, eröffnet.

Es ist der 8. Mai, „Tag der Befreiung“, in Tschechien ein Feiertag. Große Reden hält hier keiner, stattdessen gibt’s Musik. Nichts Patriotisches, eine Combo aus älteren Herren spielt „Heart of Gold“ in der tschechischen Version. 74 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges treffen sich zwei Bürgermeister, um 1970 geboren, über Grenzen hinweg zum Planschen. Die europäische Avantgarde wohnt in der Provinz und ist sich für keinen Scherz zu schade. Für übermütige Visionen aber auch nicht.

Thomas Zenker will im Dreiländereck einen Markstein setzen, so auffällig wie der Fernsehturm auf dem Jested im benachbarten Liberec, der zwischen Bergkuppen hervorlugt. Der Turm ist eine Mischung aus Rakete und Antenne und glüht so silbern, als wolle er zu einer Mission abheben. Zenker will Zittau mit seinen 25.000 Einwohnern 2025 zur Kulturhauptstadt Europas machen. Eine Kleinstadt fernab vom Schuss als kulturelles Herz der EU – eine Schnapsidee? Vielleicht. Horinka ist mit Zenker verschwunden. Der Gastgeber, hat Zenker erzählt, hat ihm ein Bier versprochen.

Von Berlin aus betrachtet, ist das Dreiländereck nichts anderes als der hinterste Zipfel Deutschlands, ein Wurmfortsatz. Interessant nur, wenn Regierungschefs nach einem Sinnbild für die europäische Einheit suchen. Zur Osterweiterung 2004 traf sich am Dreiländerpunkt, wo an der Neiße geometrisch exakt die drei Staaten aufeinanderstoßen, Gerhard Schröder mit seinen Kollegen aus Warschau und Prag. Und Altkanzler Kohl, Fachmann für Symbolik und ebenfalls zugegen, regte eine Dreiländerbrücke an.

Welche Perspektive hat die Region?

Als Angela Merkel 2007 dort aufkreuzte, weil Polen und Tschechien dem Schengenraum beitraten, war von der Brücke nichts zu sehen. Und zum 15. Jahrestag der Osterweiterung, am 1. Mai diesen Jahres, errichtete das Technische Hilfswerk wieder ein Provisorium.

Zenker könnte auf Berlin und die EU schimpfen, auf Förderprogramme, die nur binationale Projekte zulassen, aber keine trinationalen, auf unterschiedliche Bauverordnungen, Bürokratie eben. „Eigentlich wollen alle diese Brücke“, sagt Zenker, fügt aber an: „Das ist ein symbolisches Projekt, das viel Geld schluckt.“ Und was ist der Dreiländerpunkt ohne Symbolik? „Ein Fluss, drei Fahnen, ein Bach.“ Zum Dreiländerpunkt biegt Zenker gar nicht erst ab.

Zwei Männer schwimmen in einem See

Gemeinsames Anbaden am 8. Mai: Josef Horinka und Thomas Zenker Foto: Pawel Sosnowski

Zenker, vom Baden immer noch etwas verfroren, ist ins Auto gestiegen. Das Dreiländereck als fahnenbehängte Kulisse, irgendwann veredelt mit einer architektonisch gewagten Brücke, doch ohne praktischen Nutzen – Thomas Zenker, seit 2015 parteiloser Oberbürgermeister von Zittau, ist das zu wenig. „Wir brauchen große Ideen.“

Warum sich also nicht um den Titel Kulturhauptstadt Europas bewerben? Es geht um Zukunftsfragen. Welche Perspektive hat die Region? Welche Rolle spielt Zittau? Wie bedeutsam sind Staatsgrenzen noch? Und wie lässt sich aus den drei, nach dem Weltkrieg so verschiedenartigen Teilen ein gemeinsamer europäischer Lebensraum formen?

Zittau mag klein sein, die Kulturlandschaft ist beeindruckend. Böhmische Könige, sächsische Kurfürsten und Preußenherrscher haben der Region ihren Stempel aufgedrückt. Handwerk und Handel haben die Gegend reich gemacht. Im Siebenjährigen Krieg schossen Österreicher Zittau dann aber in Grund und Boden. Kaiserin Maria Theresia, entsetzt über das Werk ihrer Artillerie, spendete 50.000 Taler für den Wiederaufbau.

Heute ist es die EU, die Geld aus dem Fonds für Regionalentwicklung gibt. Das EU-Banner prangt an sanierten Kirchen, Bürgerhäusern, Schulen, Museen. Die EU fördert ein Festival der Theater von Liberec, Jelenia Góra und Zittau. Das Neiße-Filmfestival, seit 2004 eine Größe im Dreiländer­eck, wurde gerade eröffnet. Zittau ist Standort zweier Hochschulen und eines Fraunhofer-Instituts, und das Theater hat den „Barbier von Sevilla“ genauso auf dem Spielplan wie Schillers „Räuber“ oder den „Gestiefelten Kater“.

Ziemlich viel für das, was Landes- und Bundespolitiker halb sorgenvoll, halb engagiert ländlicher Raum nennen. „Wir können nicht immer reden, dass wir den ländlichen Raum stärken müssen“, sagt Zenker. „Wir müssen das auch selber tun.“ Zusehen kann man jedenfalls schon, wie die Menschen zueinander finden – in Zittau, in Liberec, im Isergebirge und in Hrádek am Badesee Kristýna, wo sich zwei Bürgermeister heute ein bisschen selbst verulkt haben. „Unsere Großväter haben sich noch die Köpfe eingeschlagen, und wir trinken Bier“, sagt Zenker gelöst. „Das ist Europa.“

Strategie für den Kohleausstieg

Natürlich gibt es Themen, die für jede Grenzregion wichtig sind. Zenker zählt auf: Gemeinsame Wirtschaftsförderung, Infrastrukturprojekte, Bildungsprojekte, Raumplanung. „Üblicherweise endet Raumplanung an der Staatsgrenze“, erklärt er. In Oldrichov kann man sehen, dass solche Planungsgrenzen hier keinen Sinn haben. Oldrichov ist ein halbes tschechisches Dorf. In der Mitte eine Fußgängerbrücke, die Dorfhälfte dahinter liegt in Polen und heißt Kopaczów. „Seit 2002 feiern sie hier Europäische Kirmes“, erzählt Zenker.

Dann steuert er auf die Einfahrt des Tagebaus Turów zu, in der Ferne dampft das Kraftwerk. „Im polnischen Teil leben 44.000 Menschen von der Braunkohle.“ Doch auch das wird einmal enden. Polen brauche wie die Lausitz eine Strategie für den Kohleausstieg, der hier für 2044 ansteht. „Warum den Ausstieg nicht gemeinsam planen?“

Würde man sich Zenkers Sonnenbrille aufsetzen, man sähe hier keine Grenzen mehr, sondern nur einen über Jahrhunderte gewachsenen Raum, mit seinen Städten, Bergen, Menschen. Es wird Zeit, in Regionen zu denken. Noch klebt Zittau rechts unten am Kartenrand, als gäbe es dahinter nur Wüste, dabei ist der Weg nach Prag kürzer als nach Dresden. Überhaupt muss man nicht alles von Dresden her denken, sagt Zenker.

Die Beziehungen nach Böhmen waren über Jahrhunderte weit intensiver als nach Kursachsen. Die erste Eisenbahn führte von Zittau ins 30 Kilometer entfernte Reichenberg, auf Tschechisch Liberec. Natürlich bezieht die Kulturstadtbewerbung die Oberlausitz, den Kreis Liberec und Teile Niederschlesiens mit ein.

Thomas Zenker geht durch die Stadt

Zenker will, dass die Bürger*innen wieder stolz auf ihre Stadt sind Foto: Pawel Sosnowski

Auf dem Marktplatz von Zittau deutet Zenker in den Himmel, wo eine sehr hochformatige Version der EU-Flagge auf dem Rathausturm flattert. Mit dem Start der Bewerbung zur Kulturhauptstadt hat er das Blau aufziehen lassen. Offenbar nicht allen zur Freude, wie Zenker einräumt. „Die einen wollen die Nationalflagge sehen, die anderen die Stadtfahne.“

Einigen ist Zenker mit seinen europäischen Ideen zu forsch. Bisher dominierten vor allem Meldungen der Bundespolizei die Nachrichten aus Zittau – es geht um unversteuerte Zigaretten, Ladendiebstahl, Drogendelikte, gestohlene Baumaschinen und Autos und um Verfolgungsjagden über Staatsgrenzen hinweg. Auch das ist Zittau.

„Ich will, dass die Leute den Kopf heben“, sagt Zenker. Die Zittauer sollen wieder stolz sein auf ihre Stadt. „Manche halten die Bewerbung für großspurig“, räumt er ein. Für die Ideen eines PR-Talents, der nach Jahren in Leipzig, Paris und Berlin heimgekehrt ist, 2015 das Rathaus erobert hat und der Zittau eine neue Identität überhelfen will.

Doch eigentlich will Zenker an vergangene Größe anknüpfen. Im Rathaus bleibt er vor jedem Bleiglasfenster stehen und erklärt mit einer Inbrunst, die man bei dem 44-Jährigen nicht vermutet hätte, Wappen, Wahlsprüche und Allegorien. Höhepunkt ist der Bürgersaal. Für einen Moment glaubt man sich im Wiener Musikverein, Heimstatt der Philharmoniker.

Der Saal ist kleiner, doch mit seinen vergoldeten Büsten, den Leuchtern, den Säulen, der Kassettendecke und der Galerie steht er dem Konzertsaal in nichts nach. Zittau hieß einmal „die Reiche“. Warum sollte man sich heute verstecken?

„Demokratie ist kein Lieferservice“

2009 wird Zenkers Tochter in Berlin geboren. Wo soll sie aufwachsen? Sie haben nicht allzu lange darüber nachgedacht, erzählt Zenker, damals Sprachdozent und Kommunikationstrainer. Im selben Jahr ziehen sie nach Zittau. 2013 wird er in den Stadtrat, zwei Jahre später zum Oberbürgermeister gewählt. Dabei verspürte der Rückkehrer zunächst keine lokalpolitischen Ambitionen, wie Zenker erzählt.

Seinen Entschluss, in die Politik zu gehen, illustriert er mit einer Anekdote. Zenker, damals freier Journalist, interviewte einen jungen Bürgermeisterkandidaten. Warum tust du dir das an, fragte Zenker. Ich will mitgestalten, war die Antwort. Dieser Satz, so erzählt es Zenker, war wie eine Erweckung.

Der Zuschnitt von Landkarten sollte nicht mehr von Grenzen diktiert werden. Es wird Zeit, in Regionen zu denken

Was folgt, scheint die Fortsetzung der 89er-Revolution mit kommunalpolitischen Mitteln. Mit Gleichgesinnten habe er sich ausgetauscht, sechzig Motivationsschreiben an Bekannte und Freunde verschickt. Fünfzig antworten. Sie gründen die Wählervereinigung „Zittau kann mehr“ (zkm), verfassen ein Programm und stellen 2013 Kandidaten zur Kommunalwahl auf. Zenker wird Stadtrat. Zwei Jahre später kandidiert er zum Oberbürgermeister.

Es ist die Zeit der Pegida-Aufmärsche in Dresden mit Merkel-Galgen und „Wir sind das Volk“-Verhunzung. Zenkers Motto lautet „Demokratie ist kein Lieferservice“, sein Programm in einem Satz: „Zittaus Zukunft liegt im Verständnis, Herz der Euroregion zu sein.“ Von mehr Polizeipräsenz und Grenzsicherung findet sich nichts, dafür umso mehr von Kooperation, Standortpflege, Service und Bürgerbeteiligung. Zenker wird mit knapp 48 Prozent Zustimmung neues Stadtoberhaupt.

Ein kommunalpolitischer Neustart? Gewiss. Eine Wende? Nicht ganz. Auch in Zittau stimmen 2017 zur Bundestagswahl über 30 Prozent für die AfD. Die Region ist mehrheitlich konservativ, sagt Zenker. Lange hat die CDU dominiert, inzwischen sitzt ihr die AfD im Nacken, zusammen kommen sie auf mehr als die Hälfte der Stimmen. Am äußersten rechtsradikalen Rand fischt außerdem noch die NPD, in Zittau inzwischen allerdings ohne Plakate. Zenkers Mitarbeiter nahmen die Papptafeln ab.

Begründung: Mit ihrer volksverhetzenden Botschaft „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“ stellten sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Zu recht, urteilte am Dienstag das Verwaltungsgericht Dresden in einem Eilverfahren und stütze die Auffassung aus dem Zittauer Rathaus. Thomas Zenker will ganz andere, völkerverbindende Signale aus Zittau. Deswegen will er bei seinem Opus magnum möglichst viele Menschen mitnehmen. Zittau wird als erste deutsche Bewerberstadt am 26. Mai, dem Tag der Europa- und Kommunalwahlen, zur Frage der Kulturhauptstadt einen Bürgerentscheid veranstalten.

Ambitionen zu fantastisch?

„Wenn ich junge Menschen treffe, ist das Feedback sehr, sehr positiv“, sagt Zenker. Bei den Älteren klingt er vorsichtiger. „Ich weiß nicht, ob wir alle erreichen.“ Sollte Zittau diese Hürde nehmen, hat es mit dem Votum einen Vorteil gegenüber allen anderen Bewerberstädten wie Hannover, Dresden, Magdeburg. Die Idee, sich zu bewerben, kam vom Landrat des Landkreises Görlitz, erzählt Zenker. Görlitz wollte 2010 Kulturhauptstadt werden und hatte alle Konkurrenten, darunter Potsdam, Kassel, Bremen hinter sich gelassen. Bis auf Essen, das den Titel zugesprochen bekam.

Die Argumente, die damals für Görlitz sprachen – die Zeugnisse der Vergangenheit, die Folgen des Krieges, die Grenzlage, die Ideen für das Zusammenwachsen –, müssten auch für Zittau gelten. Und wenn nicht? „Egal was rauskommt, es ist ein Wettbewerb“, sagt Zenker. „Und das sollten wir uns wert sein.“

Bewerberinnen Deutschland wird, neben Slowenien, 2025 eine Kulturhauptstadt Europas stellen. Nach Westberlin 1988, Weimar 1999 und Essen samt Ruhrgebiet 2010 kann sich in sechs Jahren eine wieder Stadt mit ihrem kulturellen Erbe, ihren Ideen und ihren Perspektiven der europäischen Öffentlichkeit präsentieren. Bisher bewerben sich Chemnitz, Gera, Dresden, Hannover, Hildesheim, Magdeburg, Nürnberg und Zittau.

Fahrplan Für das nationale Auswahlverfahren, das am 30. September 2019 beginnt, ist die Kulturstiftung der Länder verantwortlich. Sie veröffentlicht am 12. Dezember 2019 eine Shortlist, aus der Ende 2020 die deutsche Kandidatenstadt ausgewählt wird. Zittau wird als einzige Stadt am 26. Mai parallel zur Kommunal- und Europawahl die Bürgerinnen und Bürger fragen, ob sie die Bewerbung unterstützen.

Anfänge Der Titel Kulturhauptstadt Europas vergab die EU erstmals 1985. Seit 2007 stellen zwei Länder je eine Titelstadt. Kulturhauptstädte in diesem Jahr sind das italienische Matera und Plowdiv in Bulgarien.

Ganz so ein Deus ex machina, wie Thomas Zenker es darstellt, ist er aber doch nicht gewesen. Als Gymnasiast hat er eine Schülerzeitung gegründet, 1993 hat er das „Emil“, ein linksalternatives Jugendhaus, mit aufgebaut. Und nach seiner Rückkehr war er in der Hillerschen Villa, Zittaus soziokulturellem Zentrum, für die politisch-historische Bildung verantwortlich. Er hat den Werdegang hinter sich, den man in Zittau vernünftigerweise machen sollte, sagt einer, der Zenker gut kennt: Jugend in Zittau, Studium in Leipzig, Berlin und Paris, Publizistik und Vergleichende Literaturwissenschaften.

Wie in einem großen Bogen ist Zenker an seinen Ursprung zurückgekehrt. „Er hat das Format, die Dinge in großen Zusammenhängen zu sehen.“ Nach Jahrzehnten des Niedergangs könnte die Stadt aus der Defensive herausfinden, glaubt er. Und Thomas Zenker wäre der Coach.

Vielleicht ist das ja alles zu märchenhaft, sind die Ambitionen zu fantastisch. Der Traum von der Kulturhauptstadt könnte am Sonntag platzen. Sollten Thomas Zenker Zweifel befallen, kann er die Heiligkreuzkirche aufsuchen. Dort hängt ein in Zittau gewebtes Leinentuch, 56 Quadratmeter groß, das es gar nicht mehr geben dürfte. Wie durch ein Wunder überstand das Große Zittauer Fastentuch von 1472 mit seinen 90 biblischen Motiven, ursprünglich dazu bestimmt, während der Fastenzeit Altar und Kreuz zu verhüllen, Reformation, Feuersbrünste, Kriege, Feuchtigkeit und Schimmel.

1945 schien sein Schicksal besiegelt. Sowjetische Soldaten zerrissen das Tuch, dichteten damit ihre Sauna ab und ließen es später im Wald liegen. Die blassen Stellen im Mittelteil erzählen davon. Sie künden aber vor allem davon, dass sich ein Kunstwerk von Weltrang gegen alle Wahrscheinlichkeit erhalten hat.

Es gibt Dinge, die sprechen jeder Erfahrung Hohn. Es gibt sie trotzdem.

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