Zum Tod des Kriegsverbrechers Demjanjuk: Der Nazi-Mörder von Sobibor

Er war nicht „Iwan, der Schreckliche“ aus dem KZ Treblinka. Doch seine Grausamkeiten wiegen nicht minder schwer: Der Mord an über 26.000 Menschen wird ihm vorgeworfen.

John Demjanjuk im April 1988 vor einem Gericht in Jerusalem. Bild: dpa

Halb liegend in einem Rollstuhl, das Gesicht verzerrt: So kannte man John Demjanjuk. Der gebürtige Ukrainer, vor dem Landgericht München angeklagt wegen Beihilfe zum Mord an über 26.000 Menschen, spielte seine Rolle vor Gericht höchst überzeugend. Dabei wussten Eingeweihte, dass der über 90-Jährige wieder gehen konnte, sobald sich die Tore hinter dem Gefängnis Stadelheim geschlossen hatten, wo er in Untersuchungshaft einsaß.

Die ärztlichen Gutachten kamen denn auch zu dem Schluss, das der Mann trotz diverser Gebrechen eingeschränkt verhandlungfähig war. Angeklagt war Demjanjuk wegen seiner Tätigkeit als „Hilfswilliger“ in Nazi-Diensten im Vernichtungslager Sobibor. Dort, so ging es aus seinem Dienstausweis hervor, hatte er 1943 mehr als sechs Monate lang für die SS die Drecksarbeit verrichtet.

Und das hieß: Die Juden aus den Zügen holen und in die Gaskammern treiben. Nach dem Krieg verschwand Demjanjuk unerkannt. 1952 emigrierte er in die USA, wurde Automechaniker, gründete eine Familie. Nur durch intensive Recherchen kam sein früheres Leben wieder zum Vorschein - scheinbar.

In Israel fanden sich in den 1980er Jahren Überlebende, die bezeugten, Demjanjuk sei „Iwan, der Schreckliche“ aus dem Vernichtungslager Treblinka gewesen. Eine Verwechselung, wie sich später heraus stellte. Demjanjuks Todesurteil wurde aufgehoben, er verließ das Land als freier Mann in die USA. Doch da war noch sein Dienstausweis, in dem „Sobibor“ vermerkt war, und da waren deutsche Staatsanwälte, die jetzt endlich gründlich zu ermitteln begannen.

Im März 2009 kam Demjanjuk in Deutschland an, ausgewiesen von den USA. Sein Prozess in München hat gleich mehrfach Rechtsgeschichte geschrieben. Zum einen, weil erstmals einer der ausländischen Helfer der Nazis vor Gericht stand, zum anderen, weil das Verfahren ohne einen individuellen Mordvorwurf begann, mit der Begründung, jeder der Männer in Sobibor habe zwangsläufig gemordet.

Fünf Jahre Haft: So lautete das Urteil im letzten Jahr. Für Demjanjuk öffneten sich damit paradoxerweise die Gefängnistore. Denn weil eine Revision vor dem Bundesgerichtshof anstand, entschied der Richter, ihn freizulassen. Sei letzten Jahr verbrachte John (Iwan) Demjanjuk seine Zeit in einem oberbayerischen Pflegeheim. Dort ist er am Samstag 91-jährig gestorben. Ob er der letzte Nazitäter war, dem der Prozess gemacht wurde? Das bleibt abzuwarten. Ermittlungen gegen weitere mutmaßliche Kriegsverbrecher sind im Gange.

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