Zuwendungen der Pharmakonzerne: Mächtig viel Knete für die Ärzte

In einem neuen Transparenzkodex veröffentlichen Pharmaunternehmen ihre Zuwendungen. Kritiker sprechen von „reiner Imagepflege“.

Zwie Ärzte unscharf im Hintergrund, im Vordergrund ein Schild, das zur Kardiologie weist

Wieviel haben diese beiden Mediziner von den Pharmaunternehmen in den Kittel gesteckt bekommen? Foto: imago/Westend 61

BERLIN taz | 575 Millionen Euro. So viel haben Pharmafirmen im vergangenen Jahr an Ärzte und Kliniken gezahlt. Das teilten der „Verband der forschenden Pharma-Unternehmen“ (vfa) und der Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) am Montag bei der Vorstellung eines Transparenzkodex in Berlin mit.

Die Zahl beruhe auf einer vorläufigen Schätzung, so die Verbände. Bis 30. Juni wollen 54 Pharma-Unternehmen – nach eigener Auskunft 75 Prozent des Marktes – ihre Zuwendungen an Ärzte und Krankenhäuser für Studien, Fortbildungen und Sponsoring offenlegen.

„Wir wollen die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Ärzten besser erklären“, sagte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin der vfa. Ärzte seien wichtige Partner bei klinischen Studien und beim Austausch von Fachwissen.

Hintergrund ist aber auch Kritik: für die sogenannten Anwendungsbeobachtungen. Dabei verordnen Ärzte bereits zugelassene Medikamente und füllen dann Beobachtungsbögen aus. Da Ärzte dafür von Pharmafirmen bezahlt werden, sehen Kritiker darin eine Einflussnahme zur Verschreibung bestimmter Arzneimittel.

Zwei Drittel der Ärzte möchten anonym bleiben

Und trotz Transparenzkodex: 25 Prozent der Unternehmen veröffentlichen ihre Zahlungen weiter nicht – und die Daten selbst sind schwer zu ermitteln. So stellen FSA und vfa keine zentrale Datenbank bereit, sondern weisen nur mit Links auf die Webseiten der entsprechenden Unternehmen hin. Im Zweifel muss ein Patient also 54 Listen nach seinem Arzt durchforsten. Selbst dann sind die Chancen für einen Treffer gering, denn nur ein Drittel aller Daten sind namentlich einsehbar – die restlichen Ärzte wollen anonym bleiben.

„Dieser Wert von einem Drittel ist für heute ganz gut und wird sich in Zukunft bestimmt noch verändern“, sagte Fischer am Montag. Sie stellte klar: „Ärzte, die vom Datenschutz Gebrauch machen, sind nicht zu kritisieren.“

Ganz anders sieht das Christiane Fischer, Geschäftsführerin des Pharmakritischen Ärztevereins „Mezis“. „Nur wer etwas zu verbergen hat, möchte anonym bleiben.“ Angesichts von gesetzlich vorgeschriebenen Fortbildungen, kann sie die Entscheidung vieler ihrer Kollegen aber verstehen. „Entweder man nimmt an unabhängigen Fortbildungen teil und zahlt viel Geld oder man besucht eben gesponserte Fortbildungen. Da braucht es ein hohes Maß an finanziellem und moralischem Rückhalt.“

Kritiker fordern gesetzliche Regelungen

Den Transparenzkodex kritisiert Fischer als „reine Imagepflege der Pharmaindustrie“. Statt freiwilliger Selbstverpflichtung fordert sie eine gesetzliche Regelung. „Wenn man sich selbst richtet, dann ist das kein Kontrollinstrument, sondern ein Imagepflegeinstrument.“

So sieht das auch Wolfgang Wodarg, Gesundheitsexperte bei Transparency International. Er reagiert auf die Zuwendungshöhe von 575 Millionen Euro erstaunt: „Angesichts der Umsatzzahlen bezweifle ich die geringen Aufwandskosten.“ Den Kodex hält er für eine weitere Informationsverschleierung für Patienten. „Jeder Arzt sollte eigentlich in seiner Praxis veröffentlichen, mit welchem Unternehmen er zusammenarbeitet. Das wäre transparent.“

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