Zweifel an europäischen AKW-Stresstests: Das Inspektionsmanöver

Energiekommissar Oettinger verschiebt den Schlussbericht der europäischen AKW-Stresstests. Bis zum Herbst soll weiter untersucht werden.

„Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“, sagt EU-Kommissar Günther Oettinger. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Die umstrittenen Stresstests für Atomkraftwerke in der EU sorgen erneut für Wirbel. EU-Energiekommissar Günther Oettinger ist mit einem von den nationalen Aufsichtsbehörden vorgelegten Zwischenbericht unzufrieden und fordert weitere Inspektionen. Die Ergebnisse sollen nicht wie geplant beim EU-Gipfel im Juni, sondern erst im Herbst vorgelegt werden.

Die EU hatte die AKW-Kontrollen nach der Atomkatastrophe von Fukushima im vergangenen Jahr beschlossen. Alle 14 EU-Staaten mit Atomkraftwerken sowie die Nichtmitglieder Ukraine und Schweiz machen mit. Allerdings wurden bisher nur wenige AKWs von Experten inspiziert – insgesamt 38 von 147, in Deutschland war es nur eins.

Die Ergebnisse werden unter Verschluss gehalten; sie sollen erst Anfang Mai veröffentlicht werden. Atomkraftwerke abzuschalten ist offenbar nicht geplant. Dies dürfte die Atomkraftgegner auf den Plan rufen, die die Stresstests von vornherein als Täuschungsmanöver kritisiert haben. Oettinger will den Kritikern nun mit neuen Inspektionen den Wind aus den Segeln nehmen.

Experten sollten in den nächsten zwei bis drei Monaten weitere Reaktoren besuchen, sagte Oettinger. Darauf habe er sich mit Vertretern der teilnehmenden Länder geeinigt, nachdem diese ein Zwischenergebnis vorgelegt hätten. „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, ich werde meinen Bericht erst vorlegen, wenn ich alle Informationen habe.“

Alibi für die Atomlobby

Bei den zusätzlichen Kontrollen geht es insbesondere um mehr Informationen über die Folgen, die Flugzeugabstürze auf Reaktoranlagen haben könnten. Zweifel an dem geplanten Vorgehen äußerte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms. „Ich kann mir nicht vorstellen, was weitere Inspektionen bringen sollen“, sagte sie der taz.

Die Folgen eines Flugzeugabsturzes für die AKWs seien längst bekannt. Überhaupt seien die Stresstests kaum geeignet, etwas über die Sicherheit der Kraftwerke auszusagen. Harms vermutet, dass die Tests von der Atomlobby letztlich als Alibi benutzt werden, um längere Laufzeiten der Kraftwerke zu ermöglichen.

Bei den Prüfungen werde der „Nachrüstungsbedarf in Euro und Cent“ errechnet. Da die Kosten wesentlich geringer ausfallen als beim Neubau von Kraftwerken, könne dies als Argument für eine Laufzeitverlängerung genutzt werden.

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