Aus Mangel an Aufklärung

Indonesien gerät wegen der schleppenden Aufarbeitung des Mordes an Menschenrechtler Munir unter Druck

BANGKOK taz ■ Im Fall des ermordeten Menschenrechtlers Munir Thalib hat Indonesiens Polizei am Wochenende zwei neue Verdächtige verhaftet. Es handelt sich um den Expräsidenten der staatlichen Fluglinie Garuda, Indra Setiawan, sowie einen weiteren leitenden Mitarbeiter. Anwälte der Fluglinie kündigten an, die Polizei wegen Verleumdung zu verklagen. „Wie können unsere Klienten der Beihilfe zum Mord beschuldigt werden, wenn der Hauptverdächtige für unschuldig befunden wurde?“, so Garuda-Anwalt M. Assegaf gegenüber der Tageszeitung Jakarta Post.

Die Ermittlungen im Fall des im September 2004 ermordeten Menschenrechtlers Munir Thalib verkommen mehr und mehr zur Farce. Der Hauptverdächtige, ein Pilot namens Pollycarpus Budi Hari Priyanto, war ursprünglich angeklagt worden, weil er Munir während eines Fluges von Jakarta nach Amsterdam Arsen in den Orangensaft geschüttet haben soll. Der 38-jährige Munir, Indonesiens prominentester Menschenrechtler und Träger des Alternativen Nobelpreises, verstarb noch vor der Landung in den Niederlanden. Eine Autopsie ergab, dass er mehr als 500 Milligramm Arsen im Körper hatte.

Gegen Pollycarpus wurde 2005 ein Prozess eröffnet. Das Urteil: 14 Jahre Haft. Doch Indonesiens Oberstes Gericht sprach ihn später aufgrund mangelnder Beweise frei. Dass die Ermittler bis heute offiziell nichts vorzuweisen haben, bringt Kritiker der indonesischen Justiz auf die Barrikaden. Die von Munir 1998 gegründete „Kommission für die Verschwundenen und die Opfer von Gewalt“ (Kontras) kritisiert vor allem, dass sich der Gerichtsprozess gegen eine Einzelperson gerichtet habe und mögliche Hintermänner außen vor lasse.

Munir hatte stets den Machtmissbrauch durch Indonesiens Militär und Sicherheitskräfte angeprangert. Daher wird vermutet, dass der indonesische Geheimdienst (BIN) der eigentliche Drahtzieher war. Aus Unterlagen einer Telefongesellschaft war hervorgegangen, dass Pollycarpus vor und nach dem Mord rund 30 Gespräche mit dem damaligen BIN-Vizechef Muchdi Purwopranjono geführt hatte. Auch eine von Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono eingesetzte Untersuchungskommission hatte Hinweise darauf gefunden, dass hochrangige Geheimdienstler verantwortlich sein könnten. Doch juristische Konsequenzen drohen diesen bisher nicht.

Erst letzte Woche forderten Menschenrechtsorganisationen, darunter auch Kontras, die Polizei verschärft auf, endlich mit den Mitgliedern der Untersuchungskommission zu kooperieren. Deren Abschlussbericht wird unter Verschluss gehalten. Die überhastete Festnahme der neuen Verdächtigen werten Kritiker daher als Indiz dafür, dass der internationale Druck auf Indonesien Wirkung zeigt. Mittlerweile hat sich der UN-Menschenrechtsrat in den Fall Munir eingeschaltet. Der UN-Sonderberichterstatter für extralegale Hinrichtungen, Philip Alston, forderte kürzlich, dass Jakarta den Abschlussbericht veröffentlichen und alle Verdächtigen genauer unter die Lupe nehmen müsse. NICOLA GLASS