Mittelalter in Braunschweig

Trotz scharfer Kritik boykottiert die Stadt Braunschweig den Künstler El Kurdi. Hannover lud ihn deshalb ins Exil ein. Derweil hofft die NPD, dass Braunschweigs Oberbürgermeister zu ihr zurückkehrt

Auszüge aus El Kurdis Kolumnen, die die Stadtverwaltung zur Beweisführung gegen ihn sammelte und jetzt vorlegte.

„NPD, NPD, NPD! Wer als erwachsener Mensch in eine solche Partei eintritt, der muss entweder Opfer einer Lobotomie geworden sein oder er ist ein Überzeugungstäter. Ob Herr Hoffmann inzwischen tatsächlich zum Demokraten mutiert ist oder nicht, ist eigentlich unerheblich…“

„Will man weiter zusehen, wie der Hoffmann-Filz alle Bereiche des öffentlichen Lebens – ob Wirtschaft, Politik oder Kultur – bestimmt?“

„Gebannt, fast wie hypnotisiert starrte ich den Braunschweiger Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann an, der eine Performance ablieferte, die zwischen maßloser Arroganz und einer die Zuschauer paralysierenden Langeweile oszillierte.“

VON KARIN CHRISTMANN

Als der Leiter des städtischen Kulturbüros Hannover, Heinz Balzer, in der vergangenen Woche die Zeitung aufschlug, traute er seinen Augen nicht. „Haarsträubend“ fand er die Nachricht, dass Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) einen Boykott gegen den Künstler Hartmut El Kurdi verhängt hat. Balzer hält das für „ganz übel“ und lud El Kurdi ein, nach Hannover zu ziehen. „Hier herrscht Meinungsfreiheit“, schrieb Balzer an El Kurdi.

Am Freitag vor einer Woche hatte Hoffmann verfügt, dass Mitarbeiter der Stadt nicht in offizieller Funktion an Veranstaltungen mit El Kurdi teilnehmen dürfen. Der Oberbürgermeister kann die Kritik des Satirikers und Kabarettisten, der auch für die taz schreibt, nicht mehr hören und verlangt von seinen Untergebenen Loyalität.

El Kurdi freute sich über das deutliche Zeichen aus der Landeshauptstadt – mag sich aber nicht von Braunschweig trennen. „Man muss jetzt zeigen, dass die Art, wie der Oberbürgermeister mit Kritikern umgeht, nicht akzeptabel ist“, sagte er.

Die Braunschweiger Grünen finden, Hoffmann geriere sich als absolutistischer Herrscher. Sie sprechen von einem „Angriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit“. Auch der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Kulturtreibenden, ist entsetzt. Er fürchtet, freie Kulturträger könnten El Kurdi in Zukunft ebenfalls meiden, um die finanziellen Zuschüsse der Stadt nicht aufs Spiel zu setzen. Geschäftsführer Olaf Zimmermann sagt: „Auch in Braunschweig sollte man zur Kenntnis nehmen, dass das Mittelalter vorbei ist.“

Die Stadtverwaltung lässt sich aber nicht beirren und bezeichnet El Kurdi als „politischen Agitator“. Er betreibe seit Jahren eine Kampagne, um Oberbürgermeister Hoffmann „persönlich zu diskreditieren und in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen“. Die Stadt wolle ihre Mitarbeiter mit der Anweisung vor einer „unhaltbaren Situation“ in der Öffentlichkeit bewahren. Denn wenn El Kurdi auf einer öffentlichen Veranstaltung Oberbürgermeister Hoffmann attackiere, müsse ein anwesender Vertreter der Stadt entweder eine Auseinandersetzung beginnen oder den Saal verlassen. Einen solchen „peinlichen Eklat“ wolle man aber vermeiden. Einen Ansehensverlust oder einen peinlichen Eklat durch die öffentliche Diskussion über den Boykott fürchtet die Stadtverwaltung allerdings nicht. Sie teilte außerdem mit, der Boykott habe selbstverständlich keinerlei Auswirkungen darauf, wie städtische Gelder verteilt oder Räume vermietet würden.

Hartmut El Kurdi sagt allerdings, er habe seit einigen Jahren ungewollt immer weniger Kontakt zu städtischen Kultureinrichtungen – ein Vorwurf, den die Stadtverwaltung „nicht nachvollziehen kann“. El Kurdi hingegen war nur noch von der Offenheit überrascht, mit der die Stadt jetzt den Boykott aussprach. Unterstützung findet er beim Asta der örtlichen Technischen Universität (TU). Der forderte das Präsidium der Uni auf, einen Auftritt von Hoffmann auf einer Veranstaltung am gestrigen Montag abzusagen und stattdessen El Kurdi einzuladen. Das Präsidium zeigte sich aber ungerührt. „Die Stadt mischt sich nicht in unsere Angelegenheiten ein, und wir mischen uns nicht in ihre ein“, sagte eine Sprecherin der TU.

Hartmut El Kurdi nervt Hoffmann unter anderem, indem er immer wieder darauf hinweist, dass Hoffmann als junger Erwachsener NPD-Mitglied war. Der niedersächsische Vizechef der NPD, Andreas Molau, nahm den Streit um El Kurdi zum Anlass für einen offenen Brief und eine Einladung an den „lieben Kameraden Hoffmann“, der in der „kleinen Bastion Braunschweig“ das Sagen habe. Der „erfolgreiche Oberbürgermeister“, hofft Molau, möge sich einen Ruck geben und zu seinen Wurzeln zurückkehren.