Pfänden auf eigene Rechnung

Bisher sind Gerichtsvollzieher Beamte. Nun wollen einige Länder, dass nur Privatunternehmer unbezahlte Rechnungen eintreiben. Für Schuldner könnten die Verhältnisse ruppiger werden. Noch ist der Bund gegen eine Privatisierung

FREIBURG taz ■ Gerichtsvollzieher können Wohnungen durchsuchen, dürfen Gewalt anwenden und notfalls sogar einen Schuldner verhaften. Dennoch wollen vier Länder – Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern – die Gerichtsvollzieher privatisieren. Ein entsprechender Gesetzentwurf hat Ende dieser Woche gute Aussichten auf eine Mehrheit im Bundesrat.

Heute sind die Gerichtsvollzieher Beamte. Sie werden vom jeweiligen Bundesland bezahlt und erhalten noch einen Teil der Gebühren, die sie einnehmen. Künftig sollen sie, so heißt es im Gesetzentwurf, wie freie Unternehmer ganz auf eigene Rechnung agieren. Als „Beliehene“ behielten sie dabei sogar ihre Hoheitsbefugnisse.

Doch was macht ein Gerichtsvollzieher eigentlich? Ein typischer Fall: Ein Handwerker erbringt Leistungen, wird aber nicht bezahlt. Er klagt deshalb vor Gericht und bekommt einen vollstreckbaren Titel. Wenn der Schuldner jetzt immer noch nicht zahlt, geht der Gerichtsvollzieher zum Schuldner und schaut, ob er etwas pfänden kann. In etwa jedem vierten Fall muss er sich den Zugang zur Wohnung per richterlichen Beschluss verschaffen. Meist findet der Gerichtsvollzieher nichts, was er verwerten darf, denn normale Gebrauchsgegenstände wie ein Fernseher oder ein beruflich benötigtes Auto dürfen nicht gepfändet werden. Am Ende verlangt der Beamte deshalb die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, früher Offenbarungseid genannt. Daraus gehen dann auch auch Arbeitseinkommen oder bestehende Versicherungen hervor, die das Gericht dann pfänden kann.

Gerichtsvollzieher sind billig. Die Pfändung einer Sache kostet 20 Euro, deren Versteigerung 40 Euro. Deshalb kostet das Gerichtsvollzieherwesen die Länder pro Jahr 200 Millionen Euro. Künftig sollen sich die Gebühren etwa verdreifachen und ganz dem Gerichtsvollzieher zustehen. Die Länderhaushalte wären entlastet.

„Uns geht es aber nicht um den Spareffekt“, betonte der Stuttgarter Justizminister Ulrich Goll (FDP) jüngst bei einer Tagung, „wir wollen, dass das System effizienter wird“. Heute müssten Gläubiger zu lange auf eine Vollstreckung warten, und die Gerichtsvollzieher seien schlecht zu erreichen.

Die Wirtschaft sieht das Reformprojekt zwiespältig. Mehr Effizienz sei zwar gut, sagt Christian Groß vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag, aber die Gebührenerhöhung sei problematisch. „Bei kleinen Schulden lohnt sich dann ein Vollstreckungsversuch oft gar nicht mehr.“ Minister Goll sieht das anders, denn er will die Gebühren weitgehend erfolgsabhängig gestalten. Mehrkosten fielen dann nur an, wenn etwas zu pfänden ist, und müssten in der Regel vom Schuldner bezahlt werden.

Damit würde die Reform aber die Situation der Schuldner gleich doppelt verschärfen: Zum einen bleiben sie auf den erhöhten Gebühren sitzen, obwohl sie ja oft schon zu wenig haben. Zum anderen könnte auch das Auftreten der Gerichtsvollzieher, die heute oft eher wie Sozialarbeiter wirken, wieder ruppiger werden.

Nach den bisherigen Beratungen im Bundesrat dürfte der Gesetzentwurf am kommenden Freitag eine Mehrheit bekommen. Spannend ist aber noch, ob sogar eine Zweidrittelmehrheit zustande kommt. Dies wäre ein wichtiges Signal, weil für die Privatisierung wohl auch das Grundgesetz geändert werden müsste.

Zum Gesetz würde der Ländervorschlag aber nur, wenn er auch im Bundestag eine Mehrheit erhält. Das ist im Moment noch nicht abzusehen, denn die SPD und Justizministerin Brigitte Zypries lehnen die Reform noch ab. Sie wollen die Effizienz der Gerichtsvollzieher ohne Gebührensteigerung und ohne Privatisierung verbessern, indem diese nicht mehr als Einzelkämpfer, sondern im Rahmen von Vollstreckungsbüros arbeiten. CHRISTIAN RATH